Waldinanspruchnahme durch Windenergie in Deutschland

Frage

Gibt es Zahlen zum Umfang der in Deutschland für Windenergieanlagen im Wald gerodeten Flächen und gibt es Studien, die sich mit dem Beitrag der Onshore-Windenergie zum Waldumbau im Sinne eines an den Klimawandel angepassten Waldes befassen?

Vollständige Antwort

Zum Gesamtumfang bislang gerodeter Flächen für Windenergieanlagen in Deutschland gibt es keine verlässlichen Zahlen, da diese Zahlen nicht systematisch länderübergreifend dokumentiert und ausgewertet werden.

Reichenbach et al. (2015) ermittelten, dass durchschnittlich 0,64 Hektar Waldfläche pro Anlage in Anspruch genommen werden.[1] Grundlage war die Auswertung von 52 landschaftspflegerischen Begleitplänen zu Vorhaben mit weit mehr als 200 WEA auf Waldstandorten aus den Jahren 2003 bis 2014.[2] Der ermittelte Wert umfasst sowohl die temporär zu rodenden Flächen, die nach Errichtung der WEA formal Waldfläche bleiben, als auch die Flächen, die aus Revisionszwecken dauerhaft baumfrei bleiben müssen, darunter auch die Zuwegung.

Laut Gutachten werden bauzeitlich in Anspruch genommene Flächen nach Abschluss der Errichtung entweder wieder aufgeforstet oder der Sukzession überlassen. Für die dauerhaft baumfrei zu haltenden Flächen ist eine Waldumwandlungsgenehmigung[3] (vgl. § 9 Abs. 1 S. 1 Bundeswaldgesetz) erforderlich. Wird eine solche erteilt, werden in gleichem Zuge in der Regel kompensierende Ersatzaufforstungen an anderer Stelle festgesetzt. (Reichenbach et al. 2015, S. 198 ff.)

Die Auswertung der Gutachten zeigte, dass die zu rodende Fläche stark vom Einzelfall abhängt. Liegen zum Beispiel Lagerflächen sowie standortbedingt lange Zuwegungen innerhalb von Waldflächen oder können nur in begrenztem Umfang bereits vorhandene Wege genutzt werden, erhöht sich die in Anspruch genommene Fläche pro Anlage. Umgekehrt verhält sich dies, wenn Lagerflächen und Zuwegung in Offenlandflächen liegen und nur der Anlagenstandort selbst im Wald (insbesondere bei Standorten am Waldrand) bzw. wenn vorhandene Wege genutzt werden können. Insgesamt ergab sich eine Spanne von 0,3 bis 1,4 Hektar zu rodender Fläche pro Anlage, wobei nur in vier Vorhaben der Wert von einem Hektar pro Anlage überschritten wurde. (ebd.)

Mit dem Trend hin zu größeren Anlagendimensionen (Turmhöhe, Rotorblattlänge und Leistung) war auch ein Trend zu steigenden Rodungsflächen verbunden. Bezogen auf die Leistung der WEA (Rodungsfläche pro MW Nennleistung) war dieser Effekt jedoch moderat. (ebd., S. 199 f.)

Legt man den von Reichenbach et al. (2015) ermittelten Durchschnittswert aus den Guthaben von 2011 bis 2014 (siehe Fußnote 2) und die von der FA Wind (2019) ermittelten 1.985 auf Waldstandorten betriebener WEA zu Grunde (Stand: Ende 2018), kommt man näherungsweise auf eine in Anspruch genommene Waldfläche von 1.330 Hektar. Selbst bei Annahme eines pauschalen Wertes von einem Hektar pro WEA wären von der gesamten deutschen Waldfläche[4] lediglich 0,017 Prozent betroffen.

Vermindernd wären die teilweise wieder aufgeforsteten Lager- und Montageflächen sowie die verpflichtenden Ersatzaufforstungen im Zuge der Waldumwandlung zu berücksichtigen (s. o.). Es handelt sich also zu großen Teilen weder um einen formalen noch einen realen Nettoverlust an Waldfläche. Es ist vielmehr ein temporärer, je nach betroffenem Waldbiotoptyp und Baumalter mitunter allerdings auch langjähriger Funktionsverlust durch die Entwicklungszeit der gepflanzten Baum- und Strauchvegetation.

Zum Beitrag der Onshore-Windenergie zum Waldumbau im Sinne eines klimaresilienten, also an den Klimawandel angepassten, Waldes sind dem KNE keine Studien bekannt. Aus der Auswertung der Landschaftspflegerischen Begleitpläne durch Reichenbach et al. (2015) ist lediglich bekannt, dass bei der Aufforstung temporär in Anspruch genommener Waldflächen sowie im Zuge der wald- bzw. naturschutzrechtlichen Kompensation geschaffene Wald- und Waldrandflächen in den meisten Fällen Gehölze der Laub- und Laubmischwälder sowie der Waldsäume verwendet werden (Reichenbach et al. 2015, S. 179 ff.). Diese dürften in vielen Fällen klimaresilienter sein als die in Anspruch genommenen Waldflächen (möglichst Wälder geringen Alters, Monokulturen, Nadelforste).

Der Gesamtbeitrag zum Waldumbau hin zu klimaresilienten Wäldern dürfte jedoch allein vor dem Hintergrund der oben dargestellten sehr begrenzten Flächenumfänge für Wiederaufforstungen insgesamt minimal sein.

Quellen

[1] Hierbei muss es sich nicht zwangsweise um mit Bäumen bestandene Flächen handeln (vgl. Wald-Definition in Frage 1). In einigen Vorhaben handelt es sich bei den in Anspruch genommenen Flächen um Windwurfflächen, die durch Stürme (z. B. Orkan Kyrill 2007) entstanden sind. Diese wurde trotzdem berücksichtigt, da es sich formal um Waldflächen handelt.

[2] Bezieht man lediglich die Gutachten aus den Jahren 2011 bis 2014 mit in die Betrachtung ein, erhöht sich der Durchschnittswert für die zu rodende Fläche nur unwesentlich auf 0,67 Hektar pro WEA.

[3] „Umwandlung“ bedeutet die Überführung des Waldes in eine andere nichtforstrechtliche Nutzungsart. (OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.10.2005 – 8ME 165/05; OVG Lüneburg, Urteil vom 1.4.2008 – 4 LC 39/07).

[4] Nach Bundeswaldinventur (2012) 11.419.124 Hektar.


BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2017): Waldbericht der Bundesregierung 2017. Stand September 2017. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 04.11.2019).

Bundeswaldinventur (2012): Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 06.11.2019).

FA Wind (2019): Entwicklung der Windenergie im Wald – Ausbau, planerische Vorgaben und Empfehlungen für Windenergiestandorte auf Waldflächen in den Bundesländern. Analyse. 4. Auflage. FA Wind – Fachagentur Windenergie an Land, Berlin. 44 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 16.09.2019).

Johann Heinrich von Thünen-Institut (2016): Jahresbericht 2015. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 04.11.2019).

Reichenbach, M., Brinkmann, R., Kohnen, A., Köppel, J., Menke, K., Ohlenburg, H., Reers, H., Steinborn, H., Warnke, M. (2015): Bau- und Betriebsmonitoring von Windenergieanlagen im Wald. Abschlussbericht vom 30.11.2015. Oldenburg. 351 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 04.11.2019).

Gerichtliche Entscheidungen

OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.10.2005 – 8ME 165/05.

OVG Lüneburg, Urteil vom 1.4.2008 – 4 LC 39/07.