Recycling und Verwertung der Rotorblätter von Windenergieanlagen

Frage

Wie ist der aktuelle Wissensstand zu Recycling, Verwertung bzw. schadstoffarmer Verbrennung von Rotorblättern von Windenergieanlagen? Können diesbezüglich Vorgaben in die immissionsschutzrechtliche Genehmigung aufgenommen werden?

Vollständige Antwort

Aktueller Wissensstand zu Recycling und Entsorgung von Rotorblättern

Rotorblätter großer Windenergieanlagen (WEA) werden heutzutage fast ausschließlich aus Faserverbundwerkstoffen hergestellt, weil diese sich durch den Materialmix besonders gut an die jeweiligen Anforderungen anpassen lassen. Die Verbundwerkstoffe bestehen meist aus in Epoxidharz eingebetteten Glasfasern (GFK), zum Teil auch Kohlenstofffasern (CFK). Als Füllstoffe werden (Balsa-)Holz oder zunehmend Kunststoffschaum in Sandwichbauweise mit verbaut.[1] Diese Bauweise macht die Rotorblätter insgesamt widerstandsfähiger und zugleich leichter, begrenzt jedoch ihre Wiederverwertungsmöglichkeiten. (Energieagentur NRW, online)

Nach aktuellem Stand des Wissens lassen sich daher die Rotorblätter im Unterschied zu den anderen bei Windenergie verwendeten Materialien (Stahlbeton, Metalle usw.) bisher kaum hochwertig verwerten (recyceln).

Während GFK mittlerweile zumindest energetisch (als Brennstoff) und die Verbrennungsrückstände anschließend stofflich (als Zuschlagsstoff bei der Klinkerfertigung)verwendet werden können, stellen kohlenstoffhaltige Faserstoffe (CFK) und ein Recycling im Sinne einer Faserrückgewinnung die Praxis noch vor größere Herausforderungen. Diesbezüglich stehen lediglich erste Lösungsansätze zur Verfügung, die aber noch weiter erforscht und entwickelt werden müssen (vgl. FA Wind 2018, S. 46f.).

Ein mögliches Verfahren stellt das thermische Zersetzen organischer Substanzen dar – die Pyrolyse. Dabei werden die Bindungen zwischen Faser- und Verbundstoffen durch Erhitzung auf 600 bis 800 Grad Celsius unter Ausschluss von Sauerstoff aufgebrochen. Dadurch können organische von anorganischen Stoffen getrennt werden, ohne dass es zu Qualitätsänderungen der Fasern kommt. Durch den hohen Energieaufwand ist das Verfahren allerdings bislang eher für CFK wirtschaftlich. Geringer ist der Energieaufwand bei chemischen Verfahren zur Faserrückgewinnung (Solvolyse, Hydrierung und Alkoholyse), bei denen jedoch noch zu klären ist, ob sie sich auf großtechnische Anwendung übertragen lassen (BWE 2017, S. 4f.). Bisher existiert noch kein im industriellen Maßstab anwendbares Recycling-Verfahren für Verbundwerkstoffe.

Im Rahmen eines laufenden Forschungsvorhabens des Umweltbundesamtes (UBA) „Entwicklung eines Konzepts und Maßnahmen für einen ressourcensichernden Rückbau von Windenergieanlagen“ werden aktuell Lösungsvorschläge für einen ressourcenschonenden Rückbau von WEA entwickelt, darunter auch für faserverstärkte Werkstoffe.

Ältere Untersuchungen, zum Beispiel des VDI aus dem Jahr 2014 bzw. 2016, gingen davon aus, dass seinerzeit 80 bis 90 Prozent einer Windenergieanlage mittels der damals verfügbaren Verfahren recycelt werden konnte (vgl. BT-Drs. 19/3835, S. 3). Ob diese Quote sich aufgrund der Weiterentwicklung der Verfahren und möglicher Anpassungen im Produktionsprozess erhöht hat, ist ebenfalls Untersuchungsgegenstand der laufenden UBA-Studie. Das Vorhaben soll zudem Erkenntnisse darüber liefern, welche Kapazitäten nötig sind, um die in den nächsten Jahren anfallenden Reststoffe bewältigen zu können. Die Ergebnisse sollen Mitte 2019 vorliegen.

Rechtliche Möglichkeiten zur Beauflagung in der BImSchG-Genehmigung

Die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bezieht sich auf die Errichtung und den Betrieb von Anlagen. Nachsorgepflichten können grundsätzlich auch im Genehmigungsbescheid berücksichtigt werden, allerdings umfassen diese regelmäßig nicht die Beseitigung und Entsorgung der Anlage selbst, sondern die von der Anlage nach Betriebseinstellung weiterhin ausgehenden Gefahren. (Giesberts und Reinhardt 2017 in: Schmidt-Kötters, BeckOK, BImSchG, § 5, Rn. 178) Für Windenergieanlagen käme hier beispielsweise die Nachsorgepflicht in Betracht, das Austreten von Öl aus einer Anlage zu verhindern. (vgl. Hentschel 2010, S. 442) Der Rückbau und die Verwertung fallen nicht darunter. Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid besteht nach Ansicht des KNE daher kein Raum, Vorgaben zum Recycling oder zu anderen Verwertungs- und Entsorgungsarten festzulegen.

Der Rückbau von Windenergieanlagen richtet sich nach dem Baurecht gemäß § 35 Abs. 5 S. 2 Baugesetzbuch (BauGB). Die Genehmigung und Überprüfung des Rückbaus fallen in den Zuständigkeitsbereich der Bauaufsichtsbehörden. Diese können – orientiert am jeweils technisch Machbaren (vgl. „Aktueller Wissensstand“ oben) – fordern, dass Rückbau- und Entsorgungskonzepte erstellt und eingehalten werden. Die Betreiber von Windenergieanlagen müssen gegenüber der Behörde und gegenüber weiteren, in den Entsorgungsprozess eingebundenen Akteuren, entsprechende Entsorgungsnachweise erbringen. (vgl. BT-Drs. 19/3835, S. 4)

Verbindliche bzw. einheitliche Vorgaben über die Art der schadstoffarmen Entsorgung gibt es jedoch noch nicht. Vielmehr müssten derartige Vorgaben auf Grundlage neuer Forschungsergebnisse (siehe UBA-Vorhaben) – möglichst länderübergreifend einheitlich – erarbeitet werden.

Quellen

[1]Weiterhin werden Stahlbolzen und Metalle für zum Beispiel Blitzschutzleiter sowie Polyethylen oder Polyurethan für die Außenhaut verwendet (BWE 2017).


BT-Drucksache 19/3835 vom 15.08.2018. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 28.01.2019).

BWE – Bundesverband WindEnergie (2017): Möglichkeiten zur Wiederverwertung von Rotorblättern von Onshore‐Windenergieanlagen. Stand Dezember 2017. Berlin. 5 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 25.01.2019).

Energieagentur NRW (2018): Recycling: Wie werden Rotorblätter entsorgt? Blog Erneuerbare Energien NRW. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 25.01.2019).

FA Wind − Fachagentur Windenergie an Land e.V. (2018): Brechen & Sieben – Fachaustausch zu End-of-Life von Windenergieanlagen. 60 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 21.01.2019).

Hentschel, A. (2010): Umweltschutz bei Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen. Forum Energierecht 16. Nomos Verlag, Baden-Baden. 656 S.

Schmidt-Kötters, T. (2017): BeckOK UmweltR, 48. Ed. 1.12.2017, BImSchG (letzter Zugriff: 281.01.2019).

VDI (2014, 2016): Ressourceneffizienz von Windenergieanlagen. Kurzanalyse Nr. 9 und Dokumentation des Fachgespräch. 2. Auflage 2016. 63 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff 28.01.2019).