09.09.2024

Bund flankiert mit Förderprogramm die Artenhilfsprogramme der Länder

Das Nationale Artenhilfsprogramm (nAHP) des Bundes hat zum Ziel, die Erhaltungszustände sowie die Qualität und Vernetzung der Lebensräume von verschiedenen Arten langfristig zu verbessern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Schutz von Arten und ihren Lebensräumen, die durch den Ausbau der erneuerbaren Energien betroffen sind.

Am 15. August 2024 hat das Bundesumweltministerium (BMUV) die erste Förderrichtlinie für Projekte im Rahmen des nAHP veröffentlicht. Sie wird durch einen Leitfaden und Mustervorlagen für Förderanträge des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) ergänzt. Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) stellt nachfolgend die wesentlichen Regelungen und Rahmenbedingungen für die Förderung von nAHP-Projekten vor und erläutert die Bedeutung der Richtlinie und der ergänzenden Arbeitshilfen für die naturverträgliche Energiewende.

  • Das nAHP rückt den Populationsschutz in den Fokus.
  • Die Förderung von Artenhilfsmaßnahmen bekommt eine finanzielle Basis.
  • Das nAHP ergänzt etablierte Programme der Länder für den Erhalt einzelner Arten.

Ziele und Gegenstand der Projektförderung

Ziel und Gegenstand der Förderrichtlinie

Ziel ist es, einen dauerhaften Schutz insbesondere der vom Ausbau der erneuerbaren Energien betroffenen Arten, einschließlich deren Lebensstätten, zu erreichen und ihre Erhaltungszustände zu verbessern. Gegenstand sind insbesondere Maßnahmen, die langfristig und nachhaltig die Qualität und die Vernetzung der Lebensräume der Arten sowie deren Erhaltungszustand verbessern. Gleichzeitig soll damit ein wesentlicher Beitrag zu den EU-Biodiversitätszielen 2030 sowie zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie (NBS) geleistet werden.

Förderfähige Projekte und Maßnahmen

Es werden Projekte zum Schutz von durch den Ausbau der erneuerbaren Energien an Land und auf See betroffenen Arten, und Projekte zum Schutz von bestandsgefährdeten Arten und Arten nationaler Verantwortlichkeit Deutschlands gefördert.

Förderfähig sind dem Ziel der Richtlinie dienende flächenbezogene Maßnahmen, direkte Schutz- und Vernetzungsmaßnahmen von Brut- und Lebensstätten, aber auch Maßnahmen zur Verringerung von Gefährdungs- und Todesursachen von betroffenen Arten. Neben der Finanzierung der Maßnahme können jeweils auch Ausgleichszahlungen für entstehende Ertragsverluste oder entgangene Gewinne, die durch Einschränkungen der Nutzung von Flächen oder Anlagen entstehen, als Entschädigung gewährt werden. Mit den Fördermitteln können auch Grundstücke langfristig angepachtet, im Grundbuch gesichert oder erworben werden. Auch Maßnahmen zur besseren Datenerhebung und Forschung sind in gewissen Grenzen förderfähig. Reine Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sollen hingegen nicht finanziert werden.

Der Leitfaden des BfN konkretisiert die möglichen Projekte weiter und enthält darüber hinaus eine detaillierte Auflistung förderfähiger Maßnahmen, darunter auch technische Schutzmaßnahmen. Darüber hinaus sind als Projekttypen auch Machbarkeitsstudien, Modellvorhaben sowie wissenschaftliche Begleitforschungen zu Artenhilfsmaßnahmen förderfähig.

Nicht im Rahmen des nAHP förderfähig sind laut Richtlinie „Maßnahmen, die ganz oder in Teilen der Erfüllung anderer gesetzlicher oder aufgrund eines Gesetzes geltender Verpflichtungen dienen“.

Grundvoraussetzungen für die Förderung von Projekten sind allerdings, dass ein erhebliches Bundesinteresse besteht und, dass das beantragte Projekt ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang umgesetzt werden kann. Die jeweils zuständige Stelle des Bundeslandes muss bestätigen, dass eine Förderung des Projektes aus Landesprogrammen nicht in Betracht kommt. Land und beteiligte Gebietskörperschaften müssen zudem ein grundsätzliches Interesse an dem Projekt haben, welches durch den Antragsteller ebenfalls dokumentiert sein muss.

Betroffene und damit förderfähige Arten

Förderfähig sind gemäß Richtlinie Projekte mit Maßnahmen für alle Arten, die vom Ausbau der erneuerbaren Energien an Land und auf See betroffen sind. Im Einzelfall sind jedoch auch Maßnahmen für Arten förderfähig, für die Deutschland eine nationale Verantwortung trägt oder die als bestandsgefährdet gelten.

Der Leitfaden zur Förderrichtlinie enthält eine Liste der Arten, die nach derzeitigem Kenntnisstand durch den Ausbau von Windenergie- und Wasserkraftanlagen sowie den Netzausbau (Freileitungen und Erdkabel) an Land und auf See besonders betroffen sind. Hier können beispielsweise Beeinträchtigungen durch Kollision, Habitatverlust oder -zerschneidung oder auch durch Meideverhalten während der Bauphase sowie durch den Betrieb der Erneuerbare-Energien-Anlage entstehen.

Die Betroffenheit von Arten durch Solaranlagen und Speicher ist laut Leitfaden zum nAHP abhängig vom Standort- und Anlagekonzept. Beeinträchtigungen durch Habitatverlust, Meideverhalten oder Kollisionen seien nicht ausgeschlossen, es bestehe aber noch weiterer Untersuchungsbedarf. Bei vorliegender Betroffenheit durch Solaranlagen, Speicher, aber auch durch Biomasse können auch für diese Maßnahmen gefördert werden. Die Artenliste ist in Bezug hierauf nicht abschließend.

Vorrangige Gebiete und Maßnahmenflächen

Die Förderung von Maßnahmen durch das nAHP soll vorrangig in Gebieten erfolgen, in denen Schwerpunktvorkommen der Arten liegen, soweit diese auf regionaler und nationaler Ebene in Fachplanungen, Fachkonzepten oder in Arten-Aktionsplänen ausgewiesen sind. Der Leitfaden des BfN konkretisiert, welche Fachplanungen und -konzepte bei der Konzeption von Projekten berücksichtigt werden sollten.

Maßnahmenflächen sollen in der Regel durch langfristige Pacht, grundbuchliche Sicherung der Nutzung, Erwerb oder Tausch der Grundstücke gesichert werden. Der Erwerb landwirtschaftlicher Flächen ist gemäß § 45d Abs. 1 S. 2 BNatSchG nur in begründeten Ausnahmefällen, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung näher bestimmt, möglich. Antragstellende müssen darlegen, dass die dauerhafte Sicherung der Maßnahmenflächen durch langfristige Pachtverträge, grundstücksgleiche Rechte oder Grunderwerb vorrangiges Ziel ist.

In Ausnahmefällen kann ein Umsetzungsvorhaben mit entsprechender Begründung auch in Drittstaaten durchgeführt werden, etwa zum Schutz von Winterquartieren von Zugvögeln.

Ausgeschlossen von der Förderung sind Maßnahmen, durch die Konflikte mit der Windenergienutzung oder mit dem Ausbau der Stromnetzinfrastruktur entstehen können bzw. zu erwarten sind.

Antragsberechtigung

Antragsberechtigt sind kommunale Gebietskörperschaften wie Landkreise, Gemeinden, Gemeindeverbände und Städte sowie natürliche oder juristische Personen. Auch Personengesellschaften wie Naturschutzorganisationen, private Waldbesitzende und Stiftungen können Projekte einbringen. Für die Einreichung von Projektanträgen im Rahmen des nAHP bestehen gegenwärtig keine Fristen, die Umsetzung des Projektes darf jedoch noch nicht begonnen haben. Anschlussprojekte und Projekte, die bisher aus anderen Mitteln gefördert wurden, sind grundsätzlich förderfähig.

Finanzierung

In der Regel ist eine Teilfinanzierung mit mindestens 5 Prozent Eigenbeteiligung vorgesehen, die auch in Form von unbaren Eigenmitteln erbracht werden kann. Vollfinanzierungen sind in Ausnahmefällen möglich. Aktuell stehen für die Finanzierung des nAHP jährlich 14 Millionen Euro zur Verfügung, ergänzt durch Einnahmen aus Zahlungen der Betreiber von Windenergieanlagen an Land und auf See sowie aus Netzausbauvorhaben. Die Gesamthöhe der für das nAHP zur Verfügung stehenden Mittel ist derzeit noch nicht abschätzbar.

Evaluation

Der jeweilige Projekterfolg soll anhand projekt- bzw. maßnahmen- und artspezifischer Indikatoren evaluiert werden. Auf den Maßnahmenflächen sollen, wenn nötig, auch durch Kartierung erforderliche Grunddaten erhoben werden, so dass qualitative Vorher-Nachher-Vergleiche möglich sind. Die Entwicklung der Habitate und der Bestände bzw. der Erhaltungszustand der Arten sollen als Indikatoren für eine Evaluierung der Förderrichtlinie nach fünf Jahren herangezogen werden. Deshalb ist eine Verpflichtung zur Weitergabe der im Zuge von Projekten aus dem nAHP erhobenen Daten an das BfN vorgesehen.

Antrags-, Auswahl- und Entscheidungsverfahren

Die geplanten Projekte müssen grundsätzlich den Förderzielen des nAHP entsprechen, es besteht jedoch kein Anspruch auf Gewährung der Zuwendung. Projektanträge sind an das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zu richten. Das Antragsverfahren ist zweistufig. Auf die Erstellung und Einreichung einer Projektskizze und eines Finanzierungsplans folgt – nach positiver Bewertung und Auswahl zur Förderung durch das BfN – die Einreichung eines Vollantrages. Das BfN stellt neben dem Leitfaden Muster und Vorlagen zur Verfügung.

Auswahl von Projekten

Als Auswahlkriterien benennt die Richtlinie unter anderem, dass das geplante Projekt einen deutlichen Beitrag und Nutzen zum Schutz der betroffenen Arten und ihrer Lebensstätten erwarten lässt, der Antragsteller das Projekt angemessen durchführen kann und alle nötigen Ressourcen und Kompetenzen nachgewiesen werden können. Die geplanten Maßnahmen müssen dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik entsprechen, eine ausreichende Akzeptanz im Fördergebiet ist ebenfalls glaubhaft darzustellen.

Einordnung

Das nAHP ist ein neues Instrument des Bundes, das den Populationsschutz in den Fokus rückt. Es gibt der Förderung von Artenhilfsmaßnahmen eine finanzielle Basis und kann damit die bisher in den Ländern etablierten Programme für den Bestandserhalt einzelner Arten sinnvoll ergänzen und erweitern.

Die Konzeption des Förderinstruments ist grundsätzlich geeignet, einen substanziellen Beitrag zum dauerhaften Erhalt der vom Ausbau der erneuerbaren Energien betroffenen Arten zu leisten. Das ist vor dem Hintergrund der rechtlichen Änderungen beim Artenschutz besonders wichtig, welche auf eine beschleunigte Planung und Genehmigung von Anlagen zur Erzeugung, Übertragung und Speicherung erneuerbarer Energien abzielen.

Das breit angelegte Spektrum förderfähiger Projekte, Maßnahmen und Arten bietet Flexibilität, um auf unterschiedliche Betroffenheiten von Arten und sich stetig wandelnde Technologien zu reagieren.

Es läge im Interesse einer naturverträglichen Energiewende, wenn sich das nAHP auf die vom Erneuerbare-Energien-Ausbau und vom Netzausbau am stärksten betroffenen Arten fokussieren würde. Denn im Bereich dieser Ausbauvorhaben wurden im Zuge der Beschleunigung Modifizierungen der individuenbezogenen Artenschutzprüfung vorgenommen. Ziel war es, diese Modifizierungen durch ein Instrument zu flankieren, das nicht mehr zwingend projektbezogen einen guten Erhaltungszustand sicherstellt, sondern insgesamt.

Die Aufnahme von Arten in das förderfähige Artenspektrum, die nicht vom Ausbau der erneuerbaren Energien betroffen sind, unterstützt die Erreichung europarechtlich vorgegebener Biodiversitätsziele. Solche Projekte sollten vor allem dann gefördert werden, wenn von ihnen zumindest substanzielle positive Sekundäreffekte für von Erneuerbare-Energien-Projekten betroffene Arten ausgehen.

Bei der Auswahl von Projekten sollte der Fokus auf Umsetzungsprojekten liegen, die direkte populationsstützende Wirkungen erzielen bzw. auf Projekten mit diesbezüglich besonders hohem Erfolgspotenzial. Dadurch würden die zur Verfügung stehenden Mittel besonders effizient und zielgerichtet eingesetzt.

Um die Akzeptanz der Energiewende zu unterstützen, sollten Mechanismen geschaffen werden, dass ein Rückfluss der Mittel in die Länder bzw. Regionen erfolgt, in denen der Ausbau erfolgt. Dabei ist es jedoch sinnvoll, dass die Förderung von Projekten ausgeschlossen ist, die in Gebieten von (zukünftigen) Erneuerbare-Energien-Gebieten liegen, um nicht neue Betroffenheiten zu schaffen.

Die Verwendung von Mitteln für eine notwendige Begleitforschung für das Erfolgsmonitoring von Maßnahmen bzw. des Förderprogramms ist sinnvoll, ebenso der Ausschluss von reinen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben und von Maßnahmen, die der Erfüllung anderer gesetzlicher Verpflichtungen dienen. Damit wird gewährleistet, dass die Förderrichtlinie keine Substitutionsanreize aussendet. Die begrenzte Finanzierbarkeit von Öffentlichkeitsarbeit und Mediation ermöglicht in Einzelfällen, dass zur Schaffung von Akzeptanz von Umsetzungsprojekten auch diese wichtigen Aspekte Berücksichtigung finden können.

Mit der Förderung technischer Schutzmaßnahmen, wie bedarfsgerechten Abschaltungen von Windenergieanlagen, können Individuenverluste sehr wirksam vermieden werden, bei vergleichsweise geringer Einschränkung des Energieertrags. Ausgleichszahlungen für Ertragsverluste oder entgangene Gewinne durch die eingeschränkte Nutzung von Flächen oder Anlagen erhöhen die Akzeptanz dieser Maßnahmen.

Um tatsächlich den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen ausnahmsweise zu ermöglichen, sollte zeitnah die in der Richtlinie angesprochene Rechtsverordnung erlassen werden. Hierdurch können gezielt Arten des Offenlandes gestützt oder Maßnahmen mit langen Entwicklungszeiten umgesetzt werden. Die Anlage von Gehölzbiotopen und Gewässern oder Ergänzungen des Biotopverbunds sind in besonders hohem Maße auf die langfristige Verfügbarkeit der Maßnahmenflächen angewiesen.

Der Erfolg des nAHP hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln. Die staatlichen Mittel werden ergänzt durch Zahlungen der Betreiber, in Form von Einmalzahlungen (z. B. beim Leitungsausbau) oder durch jährliche Beiträge über die gesamte Betriebsdauer von Anlagen. Die Höhe der Zahlungen insgesamt ist schwer abschätzbar. Erste Betreiberzahlungen aus Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen nach § 45b BNatSchG fließen nur, wenn artenschutzrechtliche Ausnahmen erteilt und keine populationsstützenden Maßnahmen umgesetzt werden. Die Zahlungen dürften frühestens 2026 eingehen, da die Berechnung und Zahlung erstmals im Jahr nach der Inbetriebnahme der Anlagen erfolgt. Die Höhe hängt unter anderem von den durchgeführten Schutzmaßnahmen im Basisschutz ab und von den jährlich erzielten Vollbenutzungsstunden der Windenergieanlage.

Nur unwesentlich früher könnten Mittel aus Windenergievorhaben fließen, die nach § 6 WindBG genehmigt wurden. Eine Zahlungspflicht in das nAHP entsteht nur in Fällen, in denen Daten für prüfrelevante Arten nicht oder nicht vollständig vorhanden sind bzw. artenschutzrechtliche Konflikte nicht oder nicht hinreichend durch Schutz- und Minderungsmaßnahmen abgemildert werden können. Von diesen Faktoren ist auch die Höhe der jährlichen Zahlungen abhängig. Auch diese genehmigten Anlagen müssen zunächst an den Ausschreibungen teilnehmen und nach erteiltem Zuschlag noch gebaut und in Betrieb genommen werden.

Im Zuge der Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2023/2413 in den Bereichen Windenergie an Land und Solarenergie sowie für Energiespeicheranlagen am selben Standort zeichnet sich zudem eine Änderung der Zahlungsbedingungen ab. Nach dem gegenwärtigen Stand des Kabinettsentwurfs vom 22. Juli 2024 sollen die Betreiber von Windenergieanlagen Einmalzahlungen in das Artenhilfsprogramm leisten, sofern keine Daten vorhanden sind oder keine geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen verfügbar sind. Eine vergleichbare Pflicht zur Einmalzahlung regelt der Gesetzgeber auch für Solaranlagen und für Energiespeicher, die den Erzeugungsanlangen dienen. Dennoch geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich diese geplanten Änderungen mindernd auf die zu erwartenden Einnahmen des Artenhilfsprogramms auswirken.

Es wird perspektivisch also auch zu prüfen sein, ob der aktuelle finanzielle Umfang des nAHP ausreicht, um den Erhaltungszustand der vom Ausbau der erneuerbaren Energien betroffenen Arten langfristig zu stabilisieren und zu verbessern.

Praxis und Erfolg der Förderrichtlinie sollen nach fünf Jahren evaluiert werden. Das eröffnet die Möglichkeit für Anpassungen und Ergänzungen auf der Grundlage neuer Erkenntnisse zu Betroffenheiten von Arten sowie zu möglichen weiteren Maßnahmen.