Zur Möglichkeit der Errichtung einer PV-FFA auf Ausgleichsflächen

Frage

Ist es möglich, im Rahmen einer Doppelnutzung auf einer Fläche, die dem Ausgleich oder Ersatz eines Eingriffs nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung dient, eine Photovoltaik-Freiflächenanlage zu errichten und was ist dabei zu beachten?

Vollständige Antwort

Was ist der rechtliche Hintergrund für Flächen zur Kompensation von Eingriffen nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung?

Die rechtlichen Bestimmungen zur Eingriffsregelung stehen in den §§ 13 ff. Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Aus § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG ergibt sich die Pflicht des Eingriffsverursachers, unvermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft mit Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen oder zu ersetzen. Die Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen müssen geeignet sein, abseits der direkt vom Eingriff betroffenen Flächen die gestörten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger oder gleichwertiger Weise wiederherzustellen und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederherzustellen oder neu zu gestalten (§ 15 Abs. 2 Satz 2, 3 BNatSchG).

Welche Verpflichtungen bestehen zur Sicherung des Ausgleichs?

Ausweislich des § 15 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG sind die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern. Für die rechtliche Sicherung ist der Eingriffsverursacher verantwortlich. Es ist erforderlich, den Kompensationserfolg in verbindlicher und durchsetzbarer Weise abzusichern. Dies kann geschehen durch eine grundbuchrechtliche Eintragung nach §§ 1090, 1105 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Sicherheitsleistungen, Bürgschaften oder in anderer Weise. Die Unterhaltungsverpflichtung für den jeweils erforderlichen Zeitraum bringt mit sich, dass die Wirkungen der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen während der gesamten Nutzungsdauer des Eingriffsvorhabens aufrechtzuerhalten sind.[1]
Gemäß § 17 Abs. 6 BNatSchG werden die durchzuführenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die dafür in Anspruch genommenen Flächen in einem Kompensationsverzeichnis erfasst. Die Erfassung in dem Verzeichnis soll vermeiden, dass Doppelbelegungen der Fläche mit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erfolgen.[2]
Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die Funktionen des Naturhausaltes und das Landschaftsbild in gleichartiger oder gleichwertiger Weise wiederherzustellen und für die Dauer des Eingriffs aufrechtzuerhalten sind. Dafür muss der Verursacher des Eingriffs sorgen.

Was bedeutet dies für die anderweitige Nutzung von Ausgleichsflächen?

Wird eine Fläche für den Ausgleich oder Ersatz eines Eingriffs bereitgestellt, muss diese den Zweck erfüllen, beeinträchtigte Funktionen des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes wiederherzustellen und für die Dauer des Eingriffs aufrechtzuerhalten. Wenn eine anderweitige Nutzung für die Ausgleichsfläche geplant ist, darf die Nutzung diesem Zweck der Fläche und den Ausgleichszielen nicht entgegenstehen. Andernfalls würde der Eingriffsverursacher gegen seine Verpflichtung verstoßen.
Die Errichtung einer PV-FFA wäre nur dann vereinbar, wenn sie das Erreichen des Ausgleichsziels nicht in Frage stellt.

Inwiefern ist die Errichtung einer PV-Freiflächenanlage auf einer Ausgleichsfläche mit dem Zweck und den Zielen dieser vereinbar?

Durch die Errichtung einer PV-FFA könnte die Ausgleichsfläche an ökologischem Wert verlieren, mit dem Risiko, dass das Ausgleichsziel nicht erreicht wird. Ferner könnte die PV-FFA selbst einen Eingriff in die Funktionen des Naturhaushalts und das Landschaftsbild darstellen und kompensationspflichtig sein.
Der Bau und Betrieb von PV-FFA hat Auswirkungen auf die Umwelt und das Landschaftsbild. Unter-schieden wird in baubedingte, eher kurzzeitige Wirkungen, und anlage- oder betriebsbedingte Wirkungen während der gesamten Laufzeit der Anlage. Baubedingt kann es durch die Baustelleneinrichtung und den Baubetrieb zu Flächenbelegungen, Bodenverdichtungen, ggf. auch Bodenabtrag und Schallemissionen kommen (BUND BW et al. 2021, LfU Bayern 2014, MLUK 2021). Durch Betriebsgebäude und Fahrwege kommt es zu Versiegelung, durch die Überstellung mit PV-Modulen zu veränderten Besonnungs- und Feuchtebedingungen unter und neben den Modulen (vgl. BSW und NABU 2021, Janke und Maaß 2018, NABU 2021). Werden PV-FFA eingezäunt, können sie zu Barrieren für wandernde Tierarten werden. Auch die Pflege und Instandhaltung der Fläche kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein und mitunter eine Belastung des Naturhaushaltes darstellen. (BUND BW et al. 2021, BSW und NABU 2021, Janke und Maaß 2018, LfU Bayern 2014, MLUK 2021, NABU 2021, Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree 2020).
Ferner verändern PV-FFA aufgrund ihrer flächigen Ausdehnung das Landschaftsbild im Landschaftsraum. Der Umfang der Veränderungen und deren Auswirkungen auf Natur und Landschaft sind vorhaben- und standortspezifisch zu bewerten. Für die Beurteilung der Eingriffsschwere sind sowohl anlagenspezifische Parameter wie zum Beispiel die Höhe, der Module, verwendete Baustoffe für die Aufständerung, Reihenabstände und das Pflegeregime als auch die Empfindlichkeit der Flächen beziehungsweise des betroffenen Raumes bedeutend. Durch Vermeidungsmaßnahmen können Beeinträchtigungen reduziert werden. Beeinträchtigungen können auch auf der Anlagenfläche ausgeglichen und Aufwertungen erzielt werden. Hinweise auf geeignete Maßnahmen sind in den Handlungsleitfäden der Bundesländer (siehe KNE 2022) und den Positionspapieren der Umweltschutzverbände zu finden (siehe KNE 2021).[3]
Inwiefern die PF-FFA selbst einen Eingriff darstellt, wird je nach abschließender Bewertung der Veränderung der Gestalt oder Nutzung der Grundfläche im Einzelfall bestimmt (gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG). Daraus ergibt sich der Umfang der erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für die PV-FFA.
Insgesamt haben der Bau und der Betrieb einer PV-FFA Auswirkungen auf den Zweck und die Ziele einer Ausgleichsfläche. Im Umfang der Bodenversiegelung kann die Fläche nicht mehr für Ausgleich- oder Ersatzmaßnahmen zur Verfügung stehen. Andere Wirkfaktoren wie die Bodenverdichtung, die Beschattung und Veränderungen des Bodenwasserhaushalts oder die Errichtung von Barrieren und das Pflegemanagement wirken sich auf Vegetation und Tierarten[4] aus. Aufgrund dieser Auswirkungen würde die Ausgleichsfläche ihren Zweck, nämlich eine ökologische und/oder ästhetische Aufwertung zur Kompensation eines Eingriffs durch naturschutzfachliche und landschaftspflegerische Maßnahmen zu erreichen, nicht mehr vollständig erfüllen können. Die Wirkung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und somit die Aufwertung der Ausgleichsfläche bliebe damit hinter den festgesetzten Ausgleichszielen zurück. In diesem Fall wäre die Errichtung einer PV-FFA nicht mit dem Zweck und den Zielen der Ausgleichsfläche vereinbar. Zusätzlich muss im Falle der Kompensationspflicht für die PV-FFA für diese zusätzlich ein Ausgleich oder Ersatz geleistet werden. Dieser kann, da die Fläche schon für Ausgleichsverpflichtungen belegt ist, nicht auf derselben Fläche erfolgen. Für die Kompensation müsste eine andere Fläche herangezogen werden.

Fazit

Wenn für eine Ausgleichsfläche eine Nutzung vorgesehen wird, die zum Zeitpunkt der Funktion als Ausgleichsfläche noch nicht bestand, ist sicherzustellen, dass die Nutzungsänderung bzw. Überplanung nicht den Zweck der Ausgleichsfläche, insbesondere das Erreichen des Kompensationsziels, beeinträchtigt. Die Auswirkungen der Nutzungsänderung ist also zu prüfen. Im Falle von PV-Anlagen sollte dies im Rahmen der Aufstellung eines Bebauungsplans oder bei privilegierten Vorhaben im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erfolgen. Der Bau und Betrieb von PV-FFA selbst haben bau-, anlage- und betriebsbedingte Auswirkungen auf die Natur und das Landschaftsbild. Etwaige Beeinträchtigungen der Naturgüter wären selbst kompensationspflichtig. Im Falle der Nutzung einer bereits bestehenden Ausgleichsfläche müsste ein Ausgleich oder Ersatz dann an anderer Stelle geleistet werden. Wenn das ursprünglich vereinbarte Kompensationsziel auf der Fläche nicht wie festgelegt erreicht werden kann, würde der Eigentümer der Ausgleichsfläche die gegenüber dem Eingriffsverursacher vereinbarte Aufwertung schuldig bleiben. Der Eingriffsverursacher wiederum würde in der Folge seine in der Genehmigung verankerten Verpflichtungen nicht nachkommen und somit gegen Genehmigungsauflagen verstoßen. Aufgrund der geschilderten Probleme und Folgewirkungen lässt sich nach unserer Einschätzung eine Doppelnutzung von Ausgleichsflächen durch Überstellung mit einer PV-FFA in den meisten Fällen nicht ohne nachteilige Rückwirkungen auf die Erfüllung vereinbarter Kompensationsleistungen verwirklichen.

 


[1] Vgl. Landmann/Rohmer UmweltR/Gellermann, 100. EL Januar 2023, BNatSchG § 15 Rn. 37 f.; BeckOK UmweltR/Schrader BNatSchG § 15 Rn. 53.
Vgl. Gesetzesbegründung Bundestags-Drucksache 16/12274, S. 59.
[2] Zur naturverträglichen Gestaltung von PV-FFA und den Auswirkungen von PV-FFA auf die Umwelt hat das KNE eine Auswahlbibliografie erstellt, die einen thematischen Einstieg bzw. eine Vertiefung ermöglicht.
Allgemeine Darstellung zu den Auswirkungen von PV-FFA auf Vogelarten des Offenlands in: Strohmaier, B., Kuhn, C. (2023): Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Vogelschutz in Österreich – Konflikt oder Synergie? – April 2023 Version 2.0. BirdLife Österreich, Wien. 66 S.

[3] Zur naturverträglichen Gestaltung von PV-FFA und den Auswirkungen von PV-FFA auf die Umwelt hat das KNE eine Auswahlbibliografie erstellt, die einen thematischen Einstieg bzw. eine Vertiefung ermöglicht.

[4] Allgemeine Darstellung zu den Auswirkungen von PV-FFA auf Vogelarten des Offenlands in: Strohmaier, B., Kuhn, C. (2023): Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Vogelschutz in Österreich – Konflikt oder Synergie? – April 2023 Version 2.0. BirdLife Österreich, Wien. 66 S.

Quellen

1] Vgl. Landmann/Rohmer UmweltR/Gellermann, 100. EL Januar 2023, BNatSchG § 15 Rn. 37 f.; BeckOK UmweltR/Schrader BNatSchG § 15 Rn. 53.
Vgl. Gesetzesbegründung Bundestags-Drucksache 16/12274, S. 59.
[2] Zur naturverträglichen Gestaltung von PV-FFA und den Auswirkungen von PV-FFA auf die Umwelt hat das KNE eine Auswahlbibliografie erstellt, die einen thematischen Einstieg bzw. eine Vertiefung ermöglicht.
Allgemeine Darstellung zu den Auswirkungen von PV-FFA auf Vogelarten des Offenlands in: Strohmaier, B., Kuhn, C. (2023): Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Vogelschutz in Österreich – Konflikt oder Synergie? – April 2023 Version 2.0. BirdLife Österreich, Wien. 66 S.

[3] Zur naturverträglichen Gestaltung von PV-FFA und den Auswirkungen von PV-FFA auf die Umwelt hat das KNE eine Auswahlbibliografie erstellt, die einen thematischen Einstieg bzw. eine Vertiefung ermöglicht.

[4] Allgemeine Darstellung zu den Auswirkungen von PV-FFA auf Vogelarten des Offenlands in: Strohmaier, B., Kuhn, C. (2023): Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Vogelschutz in Österreich – Konflikt oder Synergie? – April 2023 Version 2.0. BirdLife Österreich, Wien. 66 S.

Bundestags-Drucksache 16/12274 vom 17.03.2009. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).

BUND BW − Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Baden-Württemberg, NABU BW − Naturschutzbund Deutschland Landesverband Baden-Württemberg (2021): Solarenergie Positionspapier von BUND und NABU. 13 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).

Bundesverband Solarwirtschaft e.V., Naturschutzbund Deutschland e. V. (2021): Kriterien für naturverträgliche Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Gemeinsames Papier. 8 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).

Herden, C., Gharadjedaghi, B., Rassmus, J. (2009): Naturschutzfachliche Bewertungsmethoden von Freilandphotovoltaikanlagen. Endbericht. BfN-Skripten 247. Bonn.

Janke, F., Maaß, K. (2018): Solarenergie und Naturschutz. Naturverträgliche Freiflächen-Photovoltaikanlagen. NABU – Naturschutzbund Deutschland und BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Stuttgart. 6 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).

KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2021): Kriterien für eine naturverträgliche Gestaltung von Solar-Freiflächenanlagen − Übersicht und Hinweise zur Gestaltung. Berlin. 6 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).

KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2022): Handreichungen der Länder zu Naturschutz und Solarenergie-Freiflächenanlagen. Berlin. 2 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).

LfU Bayern − Bayerisches Landesamt für Umwelt (2014): Praxis-Leitfaden für die ökologische Gestaltung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen. München. 67 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).

MLUK – Ministerium für Landwirtschaft Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg (2021): Vorläufige Handlungsempfehlung des MLUK zur Unterstützung kommunaler Entscheidungen für großflächige Photovoltaik- Freiflächensolaranlagen (PV-FFA). 1-14 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).

NABU – Naturschutzbund Deutschland (2021): Der naturverträgliche Ausbau der Photovoltaik. Nutzung von Solarenergie in urbanen und ländlichen Räumen, auf Dächern und in der Fläche. Hintergrundpapier. 28 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).

Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree (2020): Planungshilfe Freiflächen-Photovoltaikanlagen. 30 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).

Strohmaier, B., Kuhn, C. (2023): Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Vogelschutz in Österreich – Konflikt oder Synergie? – April 2023 Version 2.0. BirdLife Österreich, Wien. 66 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 20.07.2023).