29.07.2024

Plädoyer für einen offensiven Umweltschutz

Unter den Buchveröffentlichungen, die sich mit den Perspektiven des Umwelt- und Artenschutzes befassen, ragt das von Jan-Niclas Gesenhues erfreulich hervor. Der seit Februar 2024 als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium tätige, noch junge Bundestagsabgeordnete der GRÜNEN, zeichnet die Entwicklung insbesondere des Artenschutzes in der sog. ‚Zeitenwende‘ nach, er benennt Fortschritte, Niederlagen und Gefahren.

Die Empirie des Artenschutzes ist ernüchternd. Seit Jahrzehnten gibt es jedes Jahr neue Zahlen des Niedergangs. Sie werden beklagt, eine Trendumkehr aber findet nicht statt. Gesenhues ist Vertreter einer Generation, die das nicht weiter so hinnehmen will. Das Buch ist mit fast schmerzhafter Ehrlichkeit geschrieben – und in einer beeindruckend klaren und verständlichen Sprache. Zudem vermag der Autor Begeisterung zu vermitteln und einen Schub an Optimismus mitzugeben.

Das bedeutet viel in Zeiten, in denen Natur- und Umweltschützende den Eindruck haben, dass seit dem erneuten Regierungseintritt der Grünen Naturschutz und Beteiligungsrechte in unserer Gesellschaft vor allem als Hemmnisse wahrgenommen werden und große Zugeständnisse nicht nur erwartet, sondern auch erzwungen werden.

Gesenhues gibt Antwort auf die große Frage: Was ist in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wichtiger – wie viele Erneuerbare-Energien-Anlagen gebaut werden oder wie viele neue Schreiadler und Schweinswale sich in Deutschland heimisch fühlen? Müssen zunächst die drängenden Probleme der Klimakrise gelöst werden, und können wir uns erst dann ernsthaft um Fortschritte beim Artenschutz kümmern?

Der Autor geht auch der Frage nach, warum eigentlich Moor- und Feuchtgebietsflächen nicht im überragenden öffentlichen Interesse liegen. Und warum wir enorme Spillover-Effekte, das heißt, die Anwendung von Erleichterungen für Windenergieanlagen auf alle Infrastrukturvorhaben erleben – nicht aber für Naturschutzvorhaben.

Anregend sind die Überlegungen zur Ausgestaltung des Bundesumweltministeriums, das sich bislang vor allem um Umwelt-Gesetzgebung und die Kontrolle der Einhaltung/Umsetzung von Umwelt-Gesetzen und -Verordnungen kümmert. Könnte und sollte sich das Ministerium stärker zu einem Förderministerium entwickeln? Ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen zur Wiederherstellung der Natur politisch machbar? Wie könnte grundgesetzkonform der Bund die Personalausstattung von Vollzugsbehörden stärken?

Mein Tipp: Die Antworten auf diese Fragen unbedingt lesen!

Quelle: Gesenhues, Jan-Niclas. „Offensiver Umweltschutz. Wie wir Natur und Wohlstand retten können.“ (2024), 200 S., Murmann.