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Collage: Glühbirne mit Baum im Innern auf einer Hand. Foto: © Sarayut_sy/stock.adobe.com
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28.01.2021

Zehn Denkanstöße für die naturverträgliche Energiewende 2021

Rund 150 Teilnehmende haben sich beim KNE-Winterfrühstück am 26. Januar zu den aktuellen Herausforderungen einer naturverträglichen Energiewende ausgetauscht. An zehn Thementischen entwickelten sie Denkanstöße, um Naturschutz und erneuerbare Energien gemeinsam voranzubringen.

1. Wie kommen wir zu einem neuen Konsens für eine naturverträgliche Energiewende?

Die Teilnehmenden waren sich einig: Energische Schritte beim Klimaschutz sind dringend erforderlich, die Energiewende ist dabei das Herzstück. Wir müssen aber auch gemeinsam Anstrengungen unternehmen, den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien mit Fortschritten beim Artenschutz zu verbinden, zum Beispiel durch Artenhilfsprogramme. Grundsätzlich bedarf es eines gemeinsamen Verständnisses, welche Ziele und Ausbaumengen für eine klimafreundliche Energieversorgung erforderlich sind. Außerdem benötigen wir einen Konsens darüber, wie wir uns über Projekte vor Ort auseinandersetzen, um zu guten Lösungen zu kommen. Zentral ist dabei auch die faire Verteilung von Nutzen und Belastungen. Hierfür braucht es klare und gerechte Regeln, um Konflikten vorzubeugen.

2.  Müssen wir den Naturschutz reformieren, um das Klima zu retten?

Was das Bundesnaturschutzgesetz für den Naturschutz festschreibt, muss weiter gelten. Wir müssen aber noch stärker die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Artenverlusten verdeutlichen. Wenn wir den Klimawandel nicht aufhalten, wird sich der Verlust an Arten und Habitaten beschleunigen. Klimaschutz und Naturschutz müssen daher stärker an einem Strang ziehen. Der Naturschutz sollte sich noch kräftiger gegen Sektoren wehren, die dem Klima schaden – etwa im Bereich der Landwirtschaft, so die Meinung der Teilnehmenden.

3. Tragen einheitliche Naturschutz-Standards zur Beschleunigung bei?

Der von Bund und Ländern gemeinsam eingeschlagene Weg, um zu einheitlichen Standards und einheitlicher Anwendung dieser zu gelangen, wurde begrüßt. Wir dürfen hier aber nicht stehenbleiben. Die Mehrzahl der Teilnehmenden war der Auffassung, dass eine Standardisierung Verfahren beschleunigt und rechtssicherer macht. Vor allem die Energiebranche wünscht sich eine Standardisierung, um den immensen Arbeitsaufwand zur Erfüllung aller genehmigungs- und betriebsrelevanten Vorgaben zu begrenzen. Vereinheitlichung sei aber kein Wert „an sich“ – die Situation in den Ländern sei zu unterschiedlich, als dass es einen Standard für alle geben könnte.

4. Können technische Systeme Artenschutz-Konflikte in Erneuerbaren-Projekten entschärfen?

Technische Systeme können den Artenschutz in Erneuerbare-Energien-Projekten unterstützen und deutlich verbessern. Sie sind nicht die Lösung für alle Probleme, aber sie haben das Potenzial, auf bestimmten Flächen Artenschutzkonflikte zu entschärfen. Die Teilnehmenden diskutierten über das Potenzial technischer Detektionssysteme zum Schutz von Vögeln und darüber, was erforderlich ist, damit sie in der Praxis Anwendung finden.

 5. Welche Flächen sind für den Ausbau der erneuerbaren Energien geeignet?

Die ausreichende Bereitstellung geeigneter Flächen ist ein Schlüssel für die Erreichung der Ausbauziele bei Windenergie- und Photovoltaikanlagen. Ein großes Problem sind pauschale Abstandsregelungen, die potenzielle Flächen ausschließen. Wichtig ist es, bereits in der Phase der Regional- und Flächenplanung den Artenschutz zu thematisieren, und Konflikten durch frühzeitige Monitoringmaßnahmen vorzubeugen. Das Freihalten von Dichtezentren besonders konfliktträchtiger windenergiesensibler Vogelarten durch die Regionalplanung könnte Ausnahmen in ausgewiesenen Vorranggebieten ermöglichen.

 6. Wie lassen sich Solarparks naturverträglich gestalten?

Dass der Ausbau von Freiflächen-Photovoltaik möglichst mit einer Steigerung der biologischen Vielfalt einhergehen sollte, darüber sind sich Naturschutz und Energiewirtschaft einig. Es gibt bereits einige gute Beispiele und auch Handlungsleitfäden verschiedener Planungsebenen, was es bei der Standortauswahl und der Ausgestaltung zu beachten gilt. Allerdings muss an der Kommunikation dieser Erkenntnisse gearbeitet werden, so dass betroffene Kommunen besser mit der steigenden Nachfrage umgehen könnten. Die Aufgabenteilung zwischen regionaler und kommunaler Planungsebene muss verbessert werden und die naturschutzfachlichen Potenziale sollten stärker kommuniziert werden. Auf der anderen Seite müssen auch die langfristigen Auswirkungen von Solarparks auf verschiedenste Flächentypen noch weiter untersucht werden. Die Zertifizierung von Solarparks als naturverträglich wäre ein wichtiger Schritt.

 7. Lassen sich beim Ausbau der Windenergie Konflikte mit dem Artenschutz vermeiden?

Die Planung und Umsetzung von Energiewende-Projekten sollte frühzeitig mit dem Naturschutz besprochen werden. Gerade der ehrenamtliche Naturschutz vor Ort kennt sich aus, und kann wertvolle Hinweise geben, wo und wie Vorhaben umgesetzt werden können. Wer das ignoriert, kommt mit den Naturschützer dann erst vor Gericht ins Gespräch. Das lässt sich vermeiden. Als mögliche Bausteine wurden sowohl die vorgelagerte regionalplanerische Steuerung, Dichtezentren-Ansätze zum Schutz von Quellpopulationen windenergiesensibler Arten als auch Artenhilfsprogramme genannt. Eine frühzeitige Kommunikation bereits deutlich vor Eintritt ins Genehmigungsverfahren wurde ebenfalls als Mittel zur Konfliktprävention gesehen. Zu beschleunigten Genehmigungsverfahren und Verminderung von Konflikten würden klarere und einheitliche Vorgaben in Leitfäden führen.

 8. Wie lassen sich Konflikte beim Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort lösen?

Kommunikation, und zwar frühzeitige und ehrlich zur Mitwirkung einladende Kommunikation, ist der Schlüssel. Die Anwohnerinnen und Anwohner sind in der Regel nicht prinzipiell gegen Erneuerbare-Projekte, sie wollen aber gehört werden und ihre Einwände und Argumente vortragen, wenn diese auch tatsächlich noch Berücksichtigung finden können. Man sollte auch nicht zögern, sich professionelle Hilfe zu holen, zum Beispiel beim KNE-Mediatorinnen- und Mediatoren-Pool. Ein wichtiges Thema war die Frage der Planungseben: Sollte die Planung der Windenergie mit Ausschlusswirkung besser auf Regionalplanungsebene oder besser auf Bauleitplanungs-Ebene stattfinden? Signal aus Bayern: Es gibt durchaus Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die an Windenergie interessiert sind. Sie stehen jedoch vor vielen Hindernissen. Für das Jahr 2021 wünschten sich die Teilnehmenden die breite Vermittlung oder Schaffung eines positiveren Bildes von der Energiewende, eine verlässliche öffentliche Planung und vor allem: mehr Mut bei der Umsetzung der Energiewende.

 9. Wie geht naturverträgliche Bioenergie?

Im öffentlichen Diskurs über die Energiewende spielt die Bioenergie derzeit eine untergeordnete Rolle, obwohl sie die einzige in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehende regenerative Energiequelle ist, die zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung steht. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2021 definiert zwar Ausbauziele für die Bioenergie, jedoch sind die Vergütungen aber so bemessen, dass es für die Betreibenden weder Möglichkeiten noch Anreize gibt, von Mais, als wirtschaftlichstem Substrat, auf alternative und naturverträglichere Einsatzstoffe umzusteigen. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen bei kommenden EEG-Fortschreibungen wird daher gefordert, zumal Landwirte und Betreiber weiterhin den großen Wunsch haben, mehr alternative Energiepflanzen anzubauen. Eine mögliche Zukunftsperspektive könnte eine Andockung von naturnäheren Bioenergieanbauflächen an Windenergieanlagen- oder PV-Freiflächenprojekte sein. Einsatzmöglichkeiten eröffnet auch der geplante Ausbau der Wasserstofferzeugung. Mehr Anbauvielfalt auf dem Acker sollte gefördert werden, eine Verknüpfung des Anbaus von Energiepflanzen mit Biodiversitätszielen ist möglich.

 10. Artenschutzrecht und Energiewende: Vom Individuen- zum Populationsschutz?

Der Individuenschutz ist gesetzlich vorgegeben. Daher gilt es die Regelgenehmigung weiter zu verbessern und auszugestalten. Hier bieten sich auch Ansatzpunkte mit Populationsbezug, indem beispielsweise bei der Festsetzung windenergiesensibler Arten der Erhaltungszustand der Art herangezogen wird. Eine verstärkte Nutzung der Ausnahmeregelung bringt neue Probleme mit sich; insbesondere was die Bewertung des Erhaltungszustandes angeht. Die Ausnahme bleibt insbesondere für den Einzelfall relevant. Inwieweit Artenhilfsprogramme diese flankieren können, gilt es ebenfalls noch auszuloten. Artenhilfsprogramme und ein staatliches Monitoring zur Bestandsentwicklung könnten einen großen Beitrag leisten, Populationen zu stabilisieren. Das sollte sich wiederum positiv auf die Genehmigung von Windenergievorhaben auswirken. Das KNE-Winterfrühstück „Wie schnell müssen die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, um die Klimaziele zu erreichen? Welche Flächen sind dafür geeignet? Und welche Auswirkungen sind Natur und Anwohnenden zumutbar? Diese Fragen werden eine wichtige Rolle in diesem Energiewendejahr spielen. Die Debatten darüber kontrovers und offen, aber auf sachlicher Grundlage zu führen – dafür wird sich das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende engagieren“, betonte KNE-Direktor Dr. Torsten Raynal-Ehrke beim digitalen KNE-Winterfrühstück am 26. Januar. Die Gäste aus Naturschutz, Politik, Energiewirtschaft, Behörden und Institutionen diskutierten aktuelle Herausforderungen im Spannungsfeld von Naturschutz und Energiewende – von naturverträglichen Solarparks bis hin zu Konfliktlösungen vor Ort.
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26.01.2021

Klimawandel, Naturschutz und Energiewende zusammendenken

  • Rund 150 Teilnehmende diskutierten im Rahmen des digitalen KNE-Winterfrühstücks über Herausforderungen der naturverträglichen Energiewende im Wahljahr 2021
„Wie schnell müssen die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, um die Klimaziele zu erreichen? Welche Flächen sind dafür geeignet? Und welche Auswirkungen sind Natur und Anwohnenden zumutbar? Diese Fragen werden eine wichtige Rolle in diesem Energiewendejahr spielen. Die Debatten darüber kontrovers und offen, aber auf sachlicher Grundlage zu führen – dafür wird sich das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende engagieren“, betonte KNE-Direktor Dr. Torsten Raynal-Ehrke beim digitalen KNE-Winterfrühstück. Rund 150 Gäste aus Naturschutz, Politik, Energiewirtschaft, Behörden und Institutionen diskutierten aktuelle Herausforderungen im Spannungsfeld von Naturschutz und Energiewende – von naturverträglichen Solarparks bis hin zu Konfliktlösungen vor Ort. In einem Podiumsgespräch unterstrich Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des BDEW: „Die Rettung von Biodiversität und Klima gehen Hand in Hand. Die größte Gefahr für viele Arten ist der Klimawandel. Ein ausreichender Ausbau der Erneuerbaren Energien ist darum praktischer Artenschutz. Um die Energiewende voranzutreiben, brauchen wir dringend Fortschritte beim Windenergieausbau. Das heißt konkret: mehr Flächen für den Bau neuer Windräder, schnellere Genehmigungsverfahren und Vereinfachungen beim Repowering alter Windenergieanlagen. Natürlich ist die Naturverträglichkeit ein hohes Gut, deshalb muss der Schutz von Populationen gefährdeter Arten gewährleistet sein.“ Jörg-Andreas Krüger, Präsident des NABU, appellierte: „Wir müssen in den nächsten Jahren unsere gesamte Art des Wirtschaftens sozial und ökologisch transformieren, um die Klimakrise zu bewältigen. Wir brauchen einen deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Damit die Energiewende gelingen kann, ist außerdem ein schneller Netzausbau nötig. Beides kann und muss naturverträglich geschehen.“ Neues KNE-Video: Naturschutz und erneuerbare Energien voranbringen! Per Video kam auch die junge Generation zu Wort, die eindringlich auf eine Unterstützung der Energiewende vor Ort drängt. „Die jungen Menschen wurden nicht gecastet, um einen Text Dritter vorzutragen. Sie haben den Text selbst entwickelt und eingesprochen. Wenn man mit Kindern und Jugendlichen der Fridays-for-Future-Bewegung spricht, kann man sich der Eindringlichkeit ihrer Argumente kaum entziehen. Das sollte uns hoffnungsvoll stimmen: Dass es eine Generation gibt, die sich von Klimawandel und Artensterben berühren und aufrühren lässt“, so Raynal-Ehrke. Das KNE Das 2016 gegründete Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) ist eine von der Umweltstiftung Michael Otto getragene und vom Bundesumweltministerium finanzierte Einrichtung. Zweck der gemeinnützigen GmbH ist die Unterstützung einer naturverträglichen Energiewende vor Ort. Das KNE bietet Beratung und umfangreiche Fachinformationen an, es organisiert Dialog und Austausch, und vermittelt, wenn es beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu Konflikten kommt, speziell ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren.
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Planet Erde - Bildausschnitt aus KNE-Video
26.01.2021

Klimawandel, Naturschutz und Energiewende zusammendenken

Rund 150 Teilnehmende diskutierten im Rahmen des KNE-Winterfrühstücks über Herausforderungen der naturverträglichen Energiewende im Wahljahr 2021

„Wie schnell müssen die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, um die Klimaziele zu erreichen? Welche Flächen sind dafür geeignet? Und welche Auswirkungen sind Natur und Anwohnenden zumutbar? Diese Fragen werden eine wichtige Rolle in diesem Energiewendejahr spielen. Die Debatten darüber kontrovers und offen, aber auf sachlicher Grundlage zu führen – dafür wird sich das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende engagieren“, betonte KNE-Direktor Dr. Torsten Raynal-Ehrke beim digitalen KNE-Winterfrühstück. Rund 150 Gäste aus Naturschutz, Politik, Energiewirtschaft, Behörden und Institutionen diskutierten aktuelle Herausforderungen im Spannungsfeld von Naturschutz und Energiewende – von naturverträglichen Solarparks bis hin zu Konfliktlösungen vor Ort. In einem Podiumsgespräch unterstrich Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des BDEW: „Die Rettung von Biodiversität und Klima gehen Hand in Hand. Die größte Gefahr für viele Arten ist der Klimawandel. Ein ausreichender Ausbau der Erneuerbaren Energien ist darum praktischer Artenschutz. Um die Energiewende voranzutreiben, brauchen wir dringend Fortschritte beim Windenergieausbau. Das heißt konkret: mehr Flächen für den Bau neuer Windräder, schnellere Genehmigungsverfahren und Vereinfachungen beim Repowering alter Windenergieanlagen. Natürlich ist die Naturverträglichkeit ein hohes Gut, deshalb muss der Schutz von Populationen gefährdeter Arten gewährleistet sein.“ Jörg-Andreas Krüger, Präsident des NABU, appellierte: „Wir müssen in den nächsten Jahren unsere gesamte Art des Wirtschaftens sozial und ökologisch transformieren, um die Klimakrise zu bewältigen. Wir brauchen einen deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Damit die Energiewende gelingen kann, ist außerdem ein schneller Netzausbau nötig. Beides kann und muss naturverträglich geschehen.“

Neues KNE-Video: Naturschutz und erneuerbare Energien voranbringen!

Per Video kam auch die junge Generation zu Wort, die eindringlich auf eine Unterstützung der Energiewende vor Ort drängt. „Die jungen Menschen wurden nicht gecastet, um einen Text Dritter vorzutragen. Sie haben den Text selbst entwickelt und eingesprochen. Wenn man mit Kindern und Jugendlichen der Fridays-for-Future-Bewegung spricht, kann man sich der Eindringlichkeit ihrer Argumente kaum entziehen. Das sollte uns hoffnungsvoll stimmen: Dass es eine Generation gibt, die sich von Klimawandel und Artensterben berühren und aufrühren lässt“, so Raynal-Ehrke.
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Spielfiguren mit Linien verbunden. Pexels
22.01.2021

KNE-Forum tauscht sich zu Standort- und Qualitätskriterien naturverträglicher Solarparks aus

Wie lässt sich eine umweltverträgliche Standortwahl von Solarparks steuern? Welche Kriterien sollten naturverträgliche Solarparks erfüllen? Über diese und weitere Fragen tauschten sich am 19. Januar 2021 im KNE-Forum „Naturverträgliche Solarparks“ geladene Akteure der naturverträglichen Energiewende zahlreicher Bundesländer aus. Standortsteuerung Marie-Luise Plappert vom Umweltbundesamt berichtete eingangs von dem aktuell laufenden Forschungsprojekt „Wie lässt sich eine umweltverträgliche Standortwahl von Solarparks steuern?“. Ziel des Projektes sei es, den Handlungsbedarf zur Steuerung zu untersuchen und Empfehlungen zu formulieren. Im Anschluss tauschten sich die rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer darüber aus, welche Überlegungen zur Standortsteuerung es in den Bundesländern auf Ministeriumsebene gebe und welche Kriterien für Projektierer bei der Standortsuche entscheidungsrelevant seien. Zudem gab es wertvolle Anregungen, was es aus Sicht von Naturschutzverbänden und der Wissenschaft zu bedenken gebe. Klar wurde im Austausch untereinander, dass bei der Standortsteuerung nicht nur Naturschutzaspekte berücksichtigt werden sollten, sondern auch wirtschaftliche Faktoren, wie der Zugang zu Netzanschlusspunkten. Da zunehmend Solarparks errichtet werden, die ohne EEG-Förderung auskommen, stellt sich die Frage, mit welchen Instrumenten eine Standortsteuerung außerhalb der EEG-Flächenkulisse erfolgen kann. Sollte auf Regionalplanungsebene mit Ausschluss- oder Eignungskriterien gearbeitet werden? Sollte die Standortsteuerung generell eher den Kommunen überlassen bleiben, um die lokal jeweils sehr unterschiedlichen Bedingungen und Interessenslagen bei der Standortwahl besser berücksichtigen zu können? Fragen, die angerissen wurden, aber noch weitergehend zu diskutieren sind. Kriterien für Naturverträglichkeit Als Einstieg in den Austausch zu sinnvollen und handhabbaren Kriterien für naturverträgliche Solarparks folgte ein Impuls von Prof. Markus Reinke von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Er stellte vor, welche Kriterien das Projekt „Energiewende umwelt- und landschaftsverträgliche entwickeln“ (EULE) für dessen bislang beispielhaft in Bayern erprobtes Zertifizierungsverfahren anlegt. Diskutiert wurde dann gemeinsam, wie Naturschutzverbände, Projektierer und Behörden diese Kriterien sehen und wie die bundesweite Übertragbarkeit des EULE-Ansatzes eingeschätzt wird. Klar wurde, dass es für jedes einzelne Solarpark-Projekt gründlicher Überlegungen und naturschutzfachlicher, ortskundiger Beratung bedarf, damit die Fläche des Solarparks (oder zumindest Teile davon) tatsächlich naturverträglich gestaltet wird oder sogar eine Aufwertung erfährt und die Biodiversität des Standortes gesteigert wird. Man könne längst nicht bei allen bisher gebauten Solarpark-Projekten davon sprechen, dass sich auch positive Effekte für die Artenvielfalt entwickelt hätten, so der Tenor. Die Forums-Diskussion zeigte, dass es über die Kriterien für Naturverträglichkeit bei der Errichtung von Solarparks inzwischen weitgehende Einigkeit gibt. Deutlich wurde aber auch die Einschätzung der Teilnehmenden, dass freiwillige Selbstverpflichtungen nicht ausreichten, um einen hohen Prozentanteil der Betreiber dazu zu bewegen, Naturverträglichkeitskriterien anzuwenden und einen Mehrwert für den Naturschutz in Form von Aufwertungsmaßnahmen (über die obligatorischen Verpflichtungen hinaus) zu machen. Auch hier tauschten sich die Teilnehmenden darüber aus, dass ein gutes Maß zwischen standardisierten Vorgaben und der nötigen Flexibilität bei lokal jeweils unterschiedlichen Rahmenbedingungen gefunden werden müsse. Offen sei zudem die Frage nach wirksamen wirtschaftlichen Anreizen zur naturverträglichen Gestaltung von Solarparks. Ausblick Der interessante und engagierte Austausch im Forum endete mit dem Wunsch, sich zu weiteren Themen und Fragen zu vernetzen. Das nächste KNE-Forum „Naturverträgliche Solarparks“ ist für Juni 2021, auf Wunsch der Teilnehmenden voraussichtlich zum Schwerpunkt ‚Landwirtschaft und Solarparks‘, geplant. Das KNE freut sich, mit dem Forum einen Raum dafür bieten zu können, dass interessierte Akteure ihre Erfahrungen und Sichtweisen auf das Thema „Naturverträgliche Solarparks“ austauschen und sich gegenseitig besser verstehen, und auch der Transfer zwischen Forschung und Praxis gefördert wird. Mit dem Forum möchte das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) einen Beitrag dazu leisten, dass sich bundesweit interessierte Vertreterinnen und Vertreter von Ministerien, der Solarbranche, aus Naturschutzverbänden, Genehmigungsbehörden, anderen kommunalen und überregionalen Akteuren und der Wissenschaft zur naturverträglichen Gestaltung von Solarparks austauschen. Welche erfolgreichen Praxisbeispiele gibt es bereits? Welche Ideen, Bedenken und Fragen bestehen von verschiedenen Seiten und wie können Solarparks und Naturschutz besser zusammengebracht werden? Das Forum findet zweimal im Jahr statt.
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Blumenwiese_von_alsterkoralle-Pixabay
© alsterkoralle - Pixabay
19.01.2021

Etwas tun gegen die Biodiversitätskrise

Die biologische Vielfalt geht weltweit mit enormer Geschwindigkeit zurück, auch in Deutschland. Hierzulande sind laut der Roten Liste ein Drittel der Arten vom Aussterben bedroht. Die „BMBF-Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA)“ will dieser Entwicklung entgegenwirken. Auf der Online-Kick-Off-Konferenz der „Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt – innovative Ansätze zum Schutz unserer Lebensgrundlage“ (FEdA) am 14. und 15. Januar 2021 stellte sich die FEda der Öffentlichkeit vor. Sie wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung koordiniert. Ziel der Forschungsinitiative ist es,
  1. die biologische Vielfalt effizienter zu erfassen,
  2. Ursachen, Dynamiken und Folgen der Biodiversitätsveränderungen zu analysieren und
  3. auf dieser Grundlage Systemlösungen und Maßnahmenportfolien zu entwickeln.
Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass nur durch eine gesamtgesellschaftliche Transformation und eine Veränderung des Wertesystems und der Lebensweise die dringend nötige Trendwende in der Biodiversitätsentwicklung herbeizuführen ist. Es wurden zudem die ersten Projekte des Förderprogrammes der FEdA „Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“ (BiodiWert) vorgestellt. Sie sollen den Wert der Biodiversität messbar zu machen und dadurch dazu beitragen, dass die Auswirkungen von Handlungen und Vorhaben auf die Biodiversität in allen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen berücksichtigt werden. Für das KNE nahm Natalie Arnold, Referentin für naturverträgliche Solarenergie, teil. Das KNE teilt die Einschätzung der FEdA-Initiatoren, dass besonders artenreiche Tiergruppen wie die Wirbellosen, aber auch die direkten und indirekten Treiber für den Verlust der Biodiversität, unzureichend erforscht sind. Zudem fehlen, insbesondere für das Monitoring, einheitliche Standards zur Erfassung der Biodiversität. Aus Sicht des KNE bietet die Forschungsinitiative die Möglichkeit, den potenziellen Beitrag von Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie zum Erhalt oder zur Förderung der Artenvielfalt weiter zu untersuchen. Auch die EU-Kommission betonte in ihrer Mitteilung bezüglich der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, dass “eine nachhaltigere Nutzung erneuerbarer Energien […] für die Bekämpfung des Klimawandels und des Verlusts an biologischer Vielfalt wesentlich” ist (Europäische Kommission 2020, S. 12). Wie das aktuelle Förderprogramm BiodiWert zeigt, ist die Voraussetzung für die Steigerung der Biodiversität allerdings eine hohe Wertschätzung dieser. Dies bedeutet, dass es eines politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Anreizes für die Projektierer bedarf, damit sie die ökologischen Potenziale ihrer Flächen ausreizen. Quelle: Europäische Kommission (2020): Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. EU-Biodiversitätsstrategie für 2030. Mehr Raum für die Natur in unserem Leben. Link zum Dokument  (letzter Zugriff: 18.01.2021)
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Zwei Personen im Gespräch, Foto: © Andreas-stock.adobe.com
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17.01.2021

Wie finden wir eine Mediatorin, einen Mediator, was kostet eine Mediation und wie rechtsverbindlich sind deren Vereinbarungen?

Es geht nicht vor und nicht zurück? Das KNE steht Ihnen mit individueller Beratung, Information, Moderation und Mediation von Gesprächen in und zwischen Akteursgruppen für die Klärung und Lösung von Konflikten zur Verfügung. Darüber hinaus vermitteln wir professionelle Mediatorinnen und Mediatoren, die von uns für die konkrete Bearbeitung von Konflikten vor Ort fortgebildet wurden und für eine Mediation zur Verfügung stehen. Wie Sie eine Mediation realisieren können und  wie verbindlich die dann getroffenen Vereinbarungen sind, erfahren Sie hier.

Wie finden wir eine Mediatorin, einen Mediator?

Vom KNE wurden 50 Mediatorinnen und Mediatoren ausgebildet. Sie sind über ganz Deutschland verteilt. Die Fortbildung wurde zusammen mit der Europa-Universität Viadrina durchgeführt. Darüber hinaus arbeitetet das KNE mit einigen Landesenergieagenturen zusammen, bei denen der Einsatz von Mediatorinnen und Mediatoren erfragt werden kann.

Wie viel kostet eine Mediation und wie kann sie finanziert werden?

Die Kosten für eine Mediation hängen von deren Länge ab. Unserer Erfahrung nach liegt eine Fallbearbeitung eines Konfliktes zwischen Naturschutz und Energiewende bei durchschnittlich 10.000 Euro. Gerade in der ersten Phase werden die beteiligten Akteure, deren Anliegen und die Chancen, an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten, erörtert. Gerade in dieser Phase ist es aber oftmals schwierig, eine Finanzierung zu finden. Deshalb haben das KNE und auch einige Bundesländer einen eigenen Fonds aufgelegt, um bei komplexen Fällen in dieser schwierigen Anfangsphase die Arbeit der Mediatorinnen und Mediatoren losgelöst von Finanzierungsfragen zu ermöglichen.

Wie rechtsverbindlich sind die Vereinbarungen einer Mediation?

Für das Gelingen einer Mediation ist die freiwillige Mitarbeit aller erforderlichen Akteure notwendig. Die in der Mediation erarbeiteten Lösungen werden als Vereinbarung festgehalten; hinter dieser stehen die beteiligten Akteure im Regelfall. Die verbindliche Ausgestaltung einer Mediation ist nicht ohne Weiteres vollstreckbar wie etwa ein rechtskräftiges Gerichtsurteil. Jedoch besteht im Zweifel die Möglichkeit, die Vereinbarung zusätzlich anwaltlich oder über ein Notariat zu „formalisieren“. Eine verbindliche Abrede wird letztlich sehr viel häufiger eingehalten werden als ein unverbindliches Inaussichtstellen. Das Wesen einer Mediation ist davon geprägt, eine Lösung zu finden, die von allen Beteiligten getragen wird.
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Illustration Gluehbirne auf gelbem Grund
15.01.2021

Windenergie neu gedacht

KNE-Lesetipp

Hautmann, Daniel (2020): Windkraft neu gedacht. Erstaunliche Beispiele für die Nutzung einer unerschöpflichen Ressource. Bereits seit Jahrtausenden nutzt der Mensch die Kraft des Windes. Heute ist die Windenergie zu einer tragenden Säule unserer Stromversorgung geworden, die im vergangenen Jahr für 27,2 Prozent der gesamten Stromerzeugung in Deutschland verantwortlich war. Der Hamburger Journalist Daniel Hautmann schildert in seinem Sachbuch „Windkraft neu gedacht“ in neun Kapiteln anschaulich, welche vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten die Windkraft jenseits der heutigen Anlagen zur Stromerzeugung noch bereithält. Dazu zählen hochmoderne Frachtschiffe, die per Segel angetrieben werden, Yachten, die von gigantischen Drachen gezogen werden oder Segelflugzeuge, die bis in die Stratosphäre aufsteigen und Vorbild für nachhaltige Passagierflugzeuge werden könnten. Schwimmende Windfarmen, fernab der Küsten, wo sie niemandem die Sicht rauben, könnten ganze Kontinente mit klimafreundlichem Strom versorgen. Laut Analysen der Internationalen Energie Agentur (IEA) könnten schwimmende Windenergieanlagen auf dem Meer sogar den globalen Strombedarf decken. Dabei geht der Autor detailliert auf technische Innovationen ein. Auswirkungen auf Natur, Gesellschaft und Landschaftsbild bleiben weitgehend unberücksichtigt. Hautmann geht es darum, die Chancen einer nachhaltigen Energieversorgung durch smarte Technologien aufzuzeigen. Bei Erfindungen und Innovationen hat sich der Mensch immer wieder von der Natur inspirieren lassen, wie der Autor am Ende betont. Wir empfehlen das Buch allen, die einen Blick in die Zukunft werfen und sich von der Begeisterung des Autors für diese Zukunftstechnologie anstecken lassen wollen. Quelle: Hautmann, Daniel (2020): Windkraft neu gedacht. Erstaunliche Beispiele für die Nutzung einer unerschöpflichen Ressource. ISBN: 978-3-446-46460-5. München, Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
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Aussicht auf den Uckersee und die Landschaft der Uckermark-Foto: Tilo Grellmann, adobe.stock
© Tilo Grellmann-stock.adobe.com
06.01.2021

Der Plan – Über die Herausforderungen Artenschutz und Akzeptanz in der Regionalplanung zu vereinbaren

Die Raumordnung ist eine überörtliche und fachübergreifende Planung mit dem Ziel, soziale und wirtschaftliche Raumnutzungsansprüche mit der Erhaltung der Lebensgrundlagen des Menschen in Einklang zu bringen. Im Rahmen der Regionalplanung werden zur Steuerung der Windenergienutzung Eignungsgebiete mit Ausschlusswirkung festgesetzt. Im Land Brandenburg sind die Regionalen Planungsgemeinschaften die Träger der Regionalplanung. Sie haben die Aufgabe, einen Regionalplan bzw. sachliche Teilpläne aufzustellen, fortzuschreiben, zu ändern und zu ergänzen. Weitere Aufgaben bestehen in der Erarbeitung von Entwicklungskonzepten sowie in der Vernetzung der unterschiedlichen Akteure, um durch vernetztes Handeln Synergieeffekte für die Entwicklung der Region zu erzeugen. Über die Herausforderungen Artenschutz und Akzeptanz in der brandenburgischen Regionalplanung im Hinblick auf eine naturverträgliche Energiewende zu vereinbaren berichtet Regine Weigelt-Kirchner von der Regionalen Planungsstelle für Uckermark-Barnim im KNE-Jahrbuch K20. Den Artikel können Sie ab Seite 30 finden. K20 – Energiewende vor Ort Das diesjährige rund 300 Seiten starke Jahrbuch des KNE widmet sich den Herausforderungen, Möglichkeiten und Projekten einer naturverträglichen Energiewende konkret vor Ort. Die Vielfalt der Beiträge der Autorenschaft in „K20 – Energiewende vor Ort“ spiegelt dabei die Spannbreite der Themen und die Komplexität der Anforderungen der Energiewende wider. Bild: Aussicht auf den Uckersee und die Landschaft der Uckermark; Foto: © Tilo Grellmann-stock.adobe.com
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21.12.2020

Welche rechtlichen Ausnahmen vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot sind für Windenergie an Land möglich?

„Die Diskussion über die rechtlichen Voraussetzungen einer stärkeren Anwendung der Ausnahme vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot im Rahmen der Genehmigung von Windenergieanlagen hat an Fahrt aufgenommen“, erläutert KNE-Direktor Dr. Torsten Raynal-Ehrke anlässlich der Veröffentlichung eines europarechtlichen Gutachtens zum Artenschutz. „Alle relevanten Akteure der naturverträglichen Energiewende setzen sich heute auf die eine oder andere Weise mit artenschutzrechtlichen Konflikten auseinander, die auf Ebene der Genehmigung auftreten und durch Schutzmaßnahmen nicht lösbar sind. Welche Ausnahmen sind dann (europa-) rechtlich trotzdem noch möglich?“ Ein vom KNE beauftragtes Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Ekkehard Hofmann (Universität Trier) untersucht die verschiedenen Ausnahmegründe der europäischen Vogelschutzrichtlinie und lotet Chancen und Risiken aus rechtlicher Perspektive aus. „Bemerkenswert ist die Analyse derjenigen Ausnahmetatbestände, die bisher in der Diskussion nur wenig oder gar keine Beachtung finden. Zudem wird dem Aspekt des Klimaschutzes als übergeordnetem Ziel des Ausbaus der erneuerbaren Energien an unterschiedlichen Stellen des Gutachtens der heute unverzichtbare Raum gegeben. Das Gutachten steuert damit neue Perspektiven zu der bestehenden Debatte bei – und sei somit allen zur gründlichen Lektüre empfohlen, die am Verständnis des Problems, aber noch mehr an seiner Lösung interessiert sind“, so Raynal-Ehrke weiter.

Hintergrund

Aktuell entspannt sich eine Diskussion darüber, ob Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können, wenn Windenergieanlagen errichtet und betrieben werden sollen, obwohl prognostiziert wird, dass hierbei windenergiesensible Vogelarten getötet werden. Einerseits wird diskutiert, welcher Ausnahmegrund auf Windenergievorhaben anwendbar ist. Andererseits steht zur Debatte, ob der Ausnahmekatalog der Europäischen Vogelschutzrichtlinie abschließend ist oder ob der im Bundesnaturschutzgesetz festgeschriebene Ausnahmegrund der „zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“ auch auf europäische Vogelarten angewandt werden kann. Im Rahmen des Prozesses zur Schaffung untergesetzlicher Maßstäbe für die Beurteilung des artenschutzrechtlichen Tötungsverbotes hat die Umweltministerkonferenz im Frühjahr 2020 die juristischen Hinweise zum Umgang mit der Ausnahmeregelung des Bundesnaturschutzgesetzes beschlossen, welche die Länder nun zugrunde legen können. Univ.-Prof. Dr. Ekkehard Hofmann, Autor des Rechtsgutachtens, ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Umweltrecht und Leiter des Forschungsschwerpunkts „Recht des Klimawandels“ an der Universität Trier.
  • Das Wichtigste in Kürze und Download der Publikation.
Das KNE Das 2016 gegründete Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) ist eine von der Umweltstiftung Michael Otto getragene und vom Bundesumweltministerium finanzierte Einrichtung. Zweck der gemeinnützigen GmbH ist die Unterstützung einer naturverträglichen Energiewende vor Ort. Das KNE bietet Beratung und umfangreiche Fachinformationen an, es organisiert Dialog und Austausch, und vermittelt, wenn es beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu Konflikten kommt, speziell ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren.
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17.12.2020

Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021 setzt wichtige Impulse

„Das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021 sendet wichtige Impulse für eine naturverträgliche Energiewende. Um den drastischen Auswirkungen des Klimawandels auf Natur und Artenvielfalt Einhalt zu gebieten, wird das Ausbautempo aber noch gesteigert werden müssen”, so Dr. Torsten Raynal-Ehrke, Direktor des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende (KNE). Nach dem Beschluss der Europäischen Union, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken, werde man nicht umhin kommen, die im EEG 2021 definierten Ziele anzuheben. “Naturschutz und erneuerbare Energien dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, wie zuletzt in der Debatte darüber, ob erneuerbare Energien im öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen”, betont Raynal-Ehrke. "Windenergie und Photovoltaik können und müssen naturverträglich ausgebaut werden. Dafür steht mittlerweile ein breiter Instrumentenmix zur Verfügung – wie etwa neue technische Systeme, die Vogelkollisionen an Windenergieanlagen vermeiden können.” Die Streichung des § 1 Abs. 5 EEG-Entwurfs 2021, der darauf verwies, dass die Errichtung Erneuerbarer-Energien-Anlagen im öffentlichen Interesse liege und der öffentlichen Sicherheit diene, wird nach Ansicht des KNE keine weitrechenden Konsequenzen haben. Für den Regelungsbereich des besonderen Artenschutzrechts finden sich entsprechende Verweise auf das öffentliche Interesse und die öffentliche Sicherheit bereits im Bundesnaturschutzgesetz. Ob diese eine rechtlich belastbare Erleichterung für den Bau von Erneuerbare-Energien-Anlagen bieten, wird sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erweisen. Insoweit war der § 1 Abs. 5 EEG 2021 eher als grundsätzliches Bekenntnis des Gesetzgebers und als juristische Klarstellung zu verstehen, als dass die Regelung eine bedeutsame Änderung der Genehmigungspraxis bedeutet hätte. Im Detail ist zu begrüßen, dass Post-EEG-Anlagen keine Zwangs-Abschaltungen drohen und so eine ressourcenschonende und nachhaltige Energiewende sichergestellt ist. Wichtig ist es nun, eine Repowering-Strategie zu entwickeln, die die Fragen der Genehmigungspraxis klärt, und die den Betrieb auf artenschutzrechtlich konfliktarmen und akzeptierten Standorten weiterhin ermöglicht. Überfällig sei gewesen, dass es für die PV-Gebäudeanlagen künftig ein eigenes Ausschreibungssegment geben wird, so dass diese im Ausschreibungsverfahren nicht mehr mit den kostengünstigeren Solarparks konkurrieren müssten. Aus Naturschutzsicht seien die Anlagenkombinationen genauso wie die Gebäudeanlagen gegenüber den Solarparks zu bevorzugen, da so mehr Druck von den Flächen genommen werde. Anlagenkombinationen mit Parkplatz-, Agro- und Floating-Photovoltaik könnten ab 2022 in Innovationsausschreibungen erprobt werden. Positiv hervorzuheben sei auch, dass das EEG 2021 die Voraussetzungen für eine kommunale Beteiligung an Windenergieanlagen und Solarparks schaffe, wenn auch nur auf freiwilliger Basis. Große Hoffnung setze das KNE in die Bund-Länder-Koordination, um mehr geeignete Flächen auszuweisen, die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und die Ausbauziele regelmäßig zu überprüfen. Dem Bund-Länder-Austausch fehle es derzeit noch an Mechanismen und Kompetenzen, die zügig entwickelt werden müssten, um das Bund-Länder-Kooperationspotenzial tatsächlich auszuschöpfen, so Raynal-Ehrke. Es sei nun erforderlich, rasch die Ausbauziele unter Berücksichtigung des steigenden Strombedarfs und der Klimaschutzziele zu erhöhen und mit konkreten Maßnahmen zu untersetzen. Das KNE Das 2016 gegründete Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) ist eine von der Umweltstiftung Michael Otto getragene und vom Bundesumweltministerium finanzierte Einrichtung. Zweck der gemeinnützigen GmbH ist die Unterstützung einer naturverträglichen Energiewende vor Ort. Das KNE bietet Beratung und umfangreiche Fachinformationen an, es organisiert Dialog und Austausch, und vermittelt, wenn es beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu Konflikten kommt, speziell ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren.
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15.12.2020

Zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2021)

Naturverträglichen Ausbau der Photovoltaik verstärken

Anlässlich der bevorstehenden zweiten und dritten Lesung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes 2021 im Deutschen Bundestag setzt sich das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende mit einigen Naturschutzaspekten des EEG 2021 auseinander. Der Gesetzentwurf für das EEG 2021 sieht eine deutliche Erhöhung des Ausbaupfades für die Photovoltaik (PV) vor. Der jährliche Zubau soll von 2,5 auf 4,6 Gigawatt erhöht werden mit einem Gesamtziel von 100 Gigawatt im Jahr 2030. Sowohl Naturschutz- als auch Energieverbände fordern einen deutlich höheren Zubau.

Gebäudepotenzial für Ausbau der Photovoltaik nutzen

Im Sinne einer naturverträglichen Energiewende ist dem Zubau von PV-Anlagen auf, an oder in einem Gebäude oder einer Lärmschutzwand (Gebäudeanlagen) gegenüber dem Zubau von PV-Freiflächenanlagen (PV-FFA) der Vorzug zu geben. Der Zubau von Gebäudeanlagen erweist sich grundsätzlich am naturverträglichsten, da bei diesen im Gegensatz zu PV-FFA kein weiterer Flächenbedarf durch Belastung oder Versiegelung entsteht. Vielmehr kann das große Potenzial der Gebäudeflächen genutzt werden, das in Deutschland für PV-Dachanlagen bei zirka 260 Gigawatt liegt, von denen Ende 2017 mit 31 Gigawatt nur etwa 12 Prozent bebaut waren. Das im EEG festgelegte Ziel eines Anteils von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Strommix im Jahr 2030 kann aber allein durch den Zubau von Gebäudeanlagen nicht erreicht werden. Zur Zielerreichung bedarf es gerade auch der kostengünstig zubaubaren PV-FFA. Der EEG-Entwurf setzt für den erforderlichen Zubau sowohl der Gebäudeanlagen als auch der PV-FFA wenig neue Anreize. Positiv ist, dass es für Gebäudeanlagen künftig ein eigenes Ausschreibungssegment geben soll, so dass diese im Ausschreibungsverfahren nicht mehr gegenüber den kostengünstigeren PV-FFA das Nachsehen haben. Ein zusätzliches Ausschreibungssegment für Gebäudeanlagen auf Parkplätzen wäre hilfreich, da auch diese innerhalb der bisherigen Ausschreibungen nicht konkurrieren können. PV-Pflicht ausweiten Als wirksamer Anreiz zur besseren Erschließung der Potenziale der Gebäudeanlagen könnte eine flächendeckende PV-Pflicht für diese Anlagen in das EEG aufgenommen werden. Eine solche Pflicht wäre grundsätzlich für alle öffentlichen Bauten, alle private Neubauten oder Dachsanierungen möglich, aber auch für die Elektromobilität aller Parkplätze ab einer gewissen Größe. In einzelnen Ländern bestehen bereits erste entsprechende Vorgaben für eine solche PV-Pflicht von Gebäudeanlagen. So haben in Baden-Württemberg ab 2022 alle neuen Nicht-Wohngebäude sowie alle neuen überdachten Parkplätze mit mindestens 75 Stellplätzen eine Gebäudeanlage aufzuweisen. In Hamburg und Bremen soll eine Pflicht für alle neuen Gewerbe- und Wohngebäude gelten. Später soll sie sich auch auf Dachsanierungen auf bestehenden Gebäuden ausweiten. In Berlin hat der Senat jüngst das „Solargesetz Berlin" beschlossen, das fortan den Bau und Betrieb von Gebäudeanlagen bei Neubauten und umfangreichen Dachsanierungen vorschreibt. Eine grundsätzliche PV-Pflicht für EEG-förderfähige Gebäudeanlagen auf Dächern von Neubauten und nach Dachsanierungen könnte nach einer neuen Studie des Umweltbundesamtes als sogenannte Nutzungs- oder Katasterpflicht ausgestaltet werden. Demnach könnten sich Eigentümer entscheiden, ob sie selbst eine Gebäudeanlage installieren und betreiben oder ob sie ihre Dachfläche in ein Kataster eintragen, die für diese Nutzung von Dritten gepachtet werden kann. Der Studie zufolge könnte die Katasterpflicht durch den Gewinn für die Eigentümer aus dem Betrieb der Gebäudeanlage oder ihrer Verpachtung der Dachfläche die Akzeptanz in der Bevölkerung steigern.

PV-Freiflächenanlagen naturverträglich bauen

Zur besseren Erschließung der Potenziale der PV-Freiflächenanlagen (PV-FFA) beabsichtigt der EEG-Entwurf, die Flächenkulisse für diese Anlagen auszuweiten. So sollen Projekte von bis zu 20 anstelle von 10 Megawatt gefördert werden. Jedoch berücksichtigt die Erhöhung der Leistungsgrenze von 10 auf 20 Megawatt lediglich die Effizienzsteigerung der Anlagen in der letzten Dekade. Heute können 20 Megawatt auf der gleichen Fläche erzeugt werden, wie 10 Megawatt vor zehn Jahren. Die zulässige Inanspruchnahme von 110 Meter links und rechts von Verkehrswegen erweitert sich auf 200 Meter. Aufgrund ihrer Wirtschaftlichkeit muss in den nächsten Jahren mit einem verstärkten Zubau von PV-FFA ohne Förderung und außerhalb der Flächenkulisse des EEG-Förderregimes gerechnet werden. Hierdurch entfällt die steuernde Wirkung des EEG. Umso bedeutender wird eine künftig zu entwickelnde planerische Steuerung auf Regional- und Bauleitplanungsebene, die einen naturverträglichen und von Akzeptanz getragenen Zubau der PV-FFA gewährleistet. Eine solche Steuerung ist entsprechend der Windenergiekonzentrationszonenplanung durch Vorrang- und Eignungsgebiete für PV-FFA zumindest dort möglich, wo noch keine entsprechende Bauleitplanung erfolgt ist. Dies wäre gleichfalls für die Steuerung der Flächen für hybride Nutzung durch Agrar-Photovoltaikanlagen (Agri-PV) und Floating-PV-Anlagen zu untersuchen. PV-FFA stehen häufig in Konkurrenz zu landwirtschaftlicher Nutzung. Allerdings können sie insbesondere Brach- sowie Ackerflächen in benachteiligten Gebieten bzw. solche mit geringem landwirtschaftlichem Nutzwert auch naturschutzfachlich aufwerten oder durch hybride Nutzung eine gleichzeitige landwirtschaftliche Nutzung ermöglichen. Trotz ihrer Flächeninanspruchnahme können PV-FFA, insbesondere im Vergleich zur vorherigen landwirtschaftlichen Intensiv-Nutzung der Flächen, einen großen Beitrag zum Naturschutz leisten. So können naturverträglich gestaltete Anlagen beispielsweise Habitate für eine große Anzahl verschiedener Tierarten bieten, der Förderung bedrohter Pflanzengesellschaften dienen und auf diese Weise einen Beitrag zur Biodiversität leisten. Im Sinne des Flächendrucks sollte sichergestellt sein, dass die rechtlich gebotenen Ausgleichsmaßnahmen auf der Fläche der PV-FFA realisiert werden können – und darüber hinaus durch freiwillige Aufwertungs- und Pflegemaßnahmen ein möglichst hoher Beitrag zur Steigerung der Biodiversität geleistet werden kann. Mit dem Ziel einer einheitlichen Handhabung und Planung sollte hierzu ein Kriterienkatalog mit hochwertigen Standards für naturverträgliche PV-FFA geschaffen und ein anschließendes Monitoring vorgesehen werden. Zu begrüßen ist, dass innovative und hybride PV-Konzepte wie Agri-PV-Anlagen, die eine gleichzeitige Bewirtschaftung von Ackerflächen ermöglichen oder Floating-PV-Anlagen, die eine energetische Nutzung von beispielsweise renaturierten Tagebauseen in den Braunkohleregionen ermöglichen, durch Innovationsausschreibungen erprobt werden sollen. Gerade diese Konzepte können jedoch eine Reduzierung der Flächenkonkurrenz herbeiführen und damit den Druck von naturschutzfachlich wertvollen Flächen nehmen.

Fazit

Um das Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energien im Jahr 2030 zu erreichen, muss die Photovoltaik verstärkt ausgebaut werden. Dabei sollte zuerst das große Potenzial von Gebäude-PV genutzt werden. Gleichwohl sind die energie- und klimapolitischen Ziele für 2030 damit allein nicht zu erreichen. Nicht zuletzt aus Gründen der Akzeptanzwahrung muss ein ergänzender Zubau der Photovoltaik-Freiflächenanlagen dringend naturverträglich erfolgen und die Biodiversität in der Agrarlandschaft nachweislich steigern. Dafür braucht es einen Kriterienkatalog mit hochwertigen Standards und einem anschließenden Monitoring-Prozess. Qualitativ hochwertiger Vorgaben bedürfen insbesondere auch Solarparks außerhalb des EEG, die zur Sicherung ihrer Naturverträglichkeit außerdem ein Konzept für eine planerische Steuerung erfordern.
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14.12.2020

Beschluss der UMK zum Signifikanzrahmen am 11. Dezember 2020

Die Konferenz der Umweltministerinnen und -minister der Länder (UMK) hat auf ihrer Sondersitzung am 11. Dezember 2020 erstmals einen „Standardisierten Bewertungsrahmen zur Ermittlung einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos im Hinblick auf Brutvogelarten an Windenergieanlagen (WEA) an Land“ – kurz „Signifikanzrahmen“ – beschlossen. Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE), das als fachlicher Berater in die Erarbeitung des Signifikanzrahmen-Papiers aktiv eingebunden war, nimmt hierzu eine Einordnung vor.

Ausgangspunkt und gegenwärtig Erreichtes

Es verdient Anerkennung, dass die Länder ein bemerkenswertes Maß an Verständigung und Übereinstimmung erzielen konnten. Schließlich liegen in den meisten Ländern bereits eigene Vorgaben und Ansätze für die Signifikanzbewertung in Erlassen und Leitfäden vor. Ausgangspunkt ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2018, die dem Gesetzgeber auftrug, zumindest für eine untergesetzliche Maßstabsbildung und für Methoden zur Signifikanzbewertung von Vogelkollisionsrisiken an Windenergieanlagen zu sorgen oder wenigstens Entscheidungskriterien festzulegen. Die Verabschiedung des „Signifikanzrahmens“ dokumentiert, dass der Weg der Erfüllung dieses Auftrages, der mit der Verabschiedung der „Hinweise zu den rechtlichen und fachlichen Ausnahmevoraussetzungen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG bei der Zulassung von Windenergievorhaben“ am 15. Mai 2020 eingeschlagen wurde, fortgesetzt wird.

Zentraler Fortschritt

Im Signifikanzrahmen haben sich die Länder auf zentrale Begriffsbestimmungen geeinigt, die im Kontext der Signifikanzbewertung eine Rolle spielen. Das Papier enthält eine von allen Ländern gemeinsam getragene Liste als kollisionsgefährdet geltender Vogelarten sowie entsprechende Regelabstände von Brutplätzen zu Windenergieanlagen. Zudem wurden Regelvermutungen hinsichtlich der Signifikanzbewertung von Tötungsrisiken bei Über- oder Unterschreitung der Abstände formuliert. Laut Beschlusstext verpflichten sich die Länder, von der Öffnungsklausel der Liste allenfalls restriktiv Gebrauch zu machen. Zur Klärung des Sachverhalts im Einzelfall wurden in Form eines Baukasten-Systems geeignete Erfassungs- und Bewertungsmethoden zusammengetragen. Ferner wurden gemeinsame rechtliche und fachliche Grundsätze zu Schutzmaßnahmen sowie eine Übersicht fachlich grundsätzlich geeigneter Schutzmaßnahmen zusammengetragen. Mit einem Absatz zum Repowering schließt das Papier ab. An mehreren Stellen im Papier sind die Länder aufgefordert, ihre eigenen Leitfaden- und Erlass-vorgaben vor dem Hintergrund der gemeinsam formulierten Rahmensetzungen zu prüfen bzw. gegebenenfalls (weitere) landesspezifische Festlegungen zu treffen. Im Beschlusstext finden sich entsprechende Fristen zur Prüfung, Umsetzung und Berichterstattung, was das weitere Vorankommen unterstützen dürfte.

Wie geht es weiter?

Mit dem Beschluss ist der Prozess der untergesetzlichen Maßstabsbildung zu einer rechtssicheren und handhabbaren Signifikanzbewertung von Kollisionsrisiken nicht abgeschlossen. Er stellt einen Startpunkt für die Länder dar, bis zur nächsten UMK im Frühjahr 2021 ihre Leitfäden im Hinblick auf den beschlossenen Signifikanzrahmen zu überprüfen und in Folge darauf im Rahmen geeigneter Fortschreibungsprozesse auf Länderebene anzupassen bzw. weiterzuentwickeln. Dies dürfte zu einer Annäherung der Länderregelungen zur Signifikanzbewertung führen. Weitere Arbeitsschritte sollen nun folgen. Zu begrüßen ist diesbezüglich, dass zeitnah Lösungsvorschläge zur Signifikanzbewertung beim Repowering von alten Windenergieanlagen und -parks erarbeitet werden sollen, insbesondere im Hinblick auf Verfahrenserleichterungen und der Schaffung verbesserter allgemeiner Rahmenbedingungen. Mit einem Zeithorizont bis 2022 soll auch die Herleitung von artspezifischen Signifikanzschwellen angegangen werden. Dabei könnte auch die weiterhin vorgesehene Analyse fachlicher und rechtlicher Voraussetzungen von Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen bei der Signifikanzbewertung sowie die bereits auf der 95. UMK beschlossene Mitwirkung bei der systematischen Ermittlung von Todesursachen der kollisionsgefährdeten Vogelarten eine Rolle spielen. Nicht zuletzt begrüßt das KNE, dass im weiteren Arbeitsprozess den Verbänden des Naturschutzes und der Energiewirtschaft die Möglichkeit der aktiven Mitwirkung gegeben werden soll, so dass diese ihre Erfahrungen aus der Praxis der Energiewende einbringen können.

Fazit

Dass die Länder erstmals einen bundesweit einheitlichen Rahmen für die Bewertung der Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Vögel beschlossen haben, ist ein gutes Signal für Energiewende und Naturschutz. Um dem naturverträglichen Ausbau der Windenergie an Land neuen Schwung zu verleihen, sollten die Länderregelungen rasch angepasst werden. Weitere konkretisierende Schritte müssen folgen, etwa bei einheitlichen Vorgaben für das Repowering.
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18.11.2020

Zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2021)

Dienen Windräder der öffentlichen Sicherheit? Eine europarechtliche Einordnung

Anlässlich der öffentlichen Anhörung zur Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes 2021 im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages setzt sich das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende mit einigen Naturschutzaspekten des EEG 2021 auseinander.

Heute: öffentliche Sicherheit im europarechtlichen Kontext.

Der Entwurf zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2021 sieht vor, dass Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien im öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. In einer ersten Wortmeldung hatten wir bereits auf die strengen Voraussetzungen hingewiesen, die für die Erteilung einer Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Verboten bei der Genehmigung einer Windenergieanlage erfüllt sein müssen. Dort hatten wir festgehalten, dass die Rolle des besonderen Artenschutzrechts in der Regelgenehmigung weiterhin unangetastet und die Ausnahme eine solche bleibt, da sie nur bei kumulativem Vorliegen ihrer strengen Voraussetzungen erteilt werden darf. Doch dient die Errichtung von Erneuerbare-Energien-Anlagen – auch aus einer europarechtlichen Perspektive – der öffentlichen Sicherheit? Die Formulierung im neu eingefügten § 1 Abs. 5 EEG 2021 zielt unter anderem darauf ab, mehr Rechtssicherheit bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen im Bereich des Artenschutzrechts für Windenergieanlagen an Land herzustellen. Dafür ist die europäische Vogelschutzrichtlinie (V-RL) und der dort festgeschriebene Begriff der öffentlichen Sicherheit als Ausnahmegrund von den Verbotstatbeständen entscheidend. Im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) findet der Begriff eine Entsprechung, sodass sowohl die V-RL als auch das BNatSchG grundsätzlich Ausnahmen von artenschutzrechtlichen Verboten im Interesse der öffentlichen Sicherheit zulassen. Durch den gesetzlichen Verweis im geplanten § 1 Abs. 5 EEG 2021 werden Behörden und Gerichte aufgefordert, ihren Entscheidungen auch die öffentliche Sicherheit als einen Abwägungsbelang zugrunde zu legen. Im Rahmen einer Ausnahmeprüfung wäre dies die Abwägung zwischen Artenschutz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese gesetzliche Zweckbestimmung wirft rechtliche Fragen auf. Für die Auslegung europäischen Rechts und seiner Begriffe ist die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) maßgeblich. Daher muss die Festschreibung der öffentlichen Sicherheit in § 1 Abs. 5 EEG 2021 im Lichte dieser Rechtsprechung betrachtet werden.

Liegt Windenergie nach europäischer Lesart im Interesse der öffentlichen Sicherheit?

Die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 5 EEG 2021 bezieht sich unter anderem auf die Europäische Kommission. Diese hat – bereits im Jahr 2012 – in einem Leitfaden festgestellt, dass Windparks im Interesse der öffentlichen Sicherheit stünden und deshalb Ausnahmen vom Artenschutz möglich seien (EU-Kommission, Leitfaden „Entwicklung der Windenergie und Natura 2000“, Dezember 2012, S. 20). Die Äußerungen der Kommission in Leitfäden haben allerdings lediglich empfehlenden Charakter, wie im Leitfaden eingangs selbst klarstellt wird. Eine rechtlich verbindliche Prägung hat der Begriff der öffentlichen Sicherheit zunächst in einer Entscheidung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit aus dem Jahr 1984 erfahren. Damals wurde entschieden, dass Energieerzeugnisse (hier: Erdölerzeugnisse) wegen ihrer außerordentlichen Bedeutung als Energiequelle in der modernen Wirtschaft wesentlich sind für die Existenz eines Staates, da nicht nur das Funktionieren seiner Wirtschaft, sondern vor allem auch das seiner Einrichtungen und seiner wichtigen öffentlichen Dienste und selbst das Überleben seiner Bevölkerung von ihnen abhängen (EuGH, Urteil vom 10. Juli 1984, 72/83, Rn. 34 juris). Die Gesetzesbegründung des geplanten EEG 2021 bezieht sich maßgeblich auf dieses EuGH-Urteil, überträgt die Grundsätze auf die Stromversorgung und postuliert, dass die Stromversorgung für das Funktionieren der öffentlichen Verwaltung, des Gesundheitssystems und die Versorgung der Bevölkerung sowie für jegliche moderne Kommunikation zwingend erforderlich sei. Im Sinne dieser Argumentation hält der EuGH in einer späteren Entscheidung, und nun auch im Hinblick auf die Stromversorgung,  für das Habitatschutzrecht eine Beeinträchtigung eines prioritären natürlichen Lebensraumtyps oder einer prioritären Art im Sinne der Habitatrichtlinie für gerechtfertigt, wenn sie der Abwehr einer tatsächlichen und schwerwiegenden Gefahr der Unterbrechung der Stromversorgung des betreffenden Mitgliedstaates dient (EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 – C-411/17 –, Rn. 158, juris). Einer Übertragung dieser Argumentation auf die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien wird in der laufenden Diskussion zwar teils entgegengesetzt, dass die Versorgungssicherheit mit Strom auch bei einem Rückgang der Kohleverstromung gewährleistet sei, weshalb die Versorgungssicherheit an sich gar nicht gefährdet sei, wenn beispielsweise einzelne Windenergieanlagen oder auch einzelne Windparks nicht im Wege der Ausnahme genehmigt und betrieben würden. Diese Argumentation überzeugt aber nicht vor dem Hintergrund eines in relativ wenigen Jahren zu bewältigenden allumfassenden Ausstiegs aus der Kohleverstromung – möglicherweise binnen eines Jahrzehnts. In einem anderen Kontext (freier Kapitalverkehr) legt der EuGH für die Bestimmung des Begriffs der öffentlichen Sicherheit ein enges Verständnis zugrunde. Hiernach könne die öffentliche Sicherheit nur geltend gemacht werden, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2002 – C-503/99 –, juris Rn. 47; EuGH, Urteil vom 14. März 2000 – C-54/99 –, juris). Im Hinblick auf die Sicherheit der Energieversorgung wird Letzteres in einem Urteil aus dem Jahr 2012 ebenfalls zur Bedingung gemacht (EuGH, Urteil vom 08. November 2012 – C-244/11 –, juris Rn. 67 m. w. N.). Die aufgestellte Voraussetzung einer hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, klingt zunächst nach einer sehr hohen Hürde. Allerdings öffnet eine Auseinandersetzung mit dieser Sichtweise des EuGH auf den Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ weitere Gesichtspunkte. Denn bisher kommt in der aktuellen Diskussion zu kurz, dass die Versorgungssicherheit mit Strom aus europarechtlicher Perspektive wohl lediglich eine hinreichende Bedingung zur Einschränkung von europäischen Schutzvorschriften sein kann, es aber nicht zwingend die einzig mögliche einschränkende Bedingung sein muss. Maßgeblich ist, dass die Interessen der öffentlichen Sicherheit dann berührt sind, wenn Grundinteressen der Gesellschaft betroffen sind. Im Hinblick auf den fortschreitenden Klimawandel werden die Grundinteressen der Gesellschaft auf mannigfaltige Weise betroffen. So werden nicht nur versorgungssichernde Aspekte und kritische Infrastrukturen berührt, sondern auch solche der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und auch der Wirtschaft. Die Energiewende dient nicht nur der gesicherten Versorgung mit erneuerbarem Strom, sie ermöglicht auch den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung. Im Kontext des Klimawandels gewinnt aus dieser Perspektive auch jede einzelne Windenergieanlage an Relevanz, denn hier geht es nicht „nur“ um die Versorgung der verschiedenen Sektoren eines Landes mit Strom, sondern darüber hinaus um das Einsparen von Treibhausgasen, die durch eine fossil-gestützte Energieversorgung freigesetzt würden und durch die der Klimawandel weiter fortschreiten würde. Dementsprechend räumt auch der EuGH der Förderung erneuerbarer Energiequellen aus Klimaschutzgründen und zur Diversifizierung der Energieversorgung eine hohe Priorität ein (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2016 – C-346/14 –, Rn. 73, juris). Jede einzelne Windenergieanlage trägt zur Versorgung mit erneuerbarem Strom bei und leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Einsparung von Treibhausgasen.

Fazit des KNE

  1. Noch gibt es keine Aussage des Europäischen Gerichtshofes dazu, ob Windenergieanlagen dem Interesse der öffentlichen Sicherheit im Sinne der Vogelschutzrichtlinie dienen.
  2. Der Klimawandel stellt aber eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung dar, die die Grundinteressen unserer Gesellschaft berührt. Er hat mannigfaltige bedrohliche Auswirkungen, deren Faktizität von Jahr zu Jahr deutlicher wird, sodass die Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Pariser Übereinkommen ein zeitgenössisches Verständnis von öffentlicher Sicherheit nachgerade gebietet.
  3. In diesem Sinne ist der Ausnahmegrund der öffentlichen Sicherheit durchaus geeignet, im Zusammenspiel mit den weiteren Regelungselementen der Vogelschutzrichtlinie und mit den übrigen Vorgaben des Europa- und Bundesrechts die Genehmigung von Windenergieanlagen in einen Einklang mit dem Schutz europäischer Vogelarten zu bringen.
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17.11.2020

Mindestabstände dürfen Windenergie nicht in sensible Naturräume drängen

Leitsätze

  1. Je weiter die Windenergienutzung von den Siedlungsgebieten entfernt stattfinden soll, desto weiter wird sie in Naturräume mit artenschutzrechtlichen Konflikten gedrängt.
  2. Die Akzeptanz vor Ort wird durch pauschale Abstände nachweislich nicht erhöht.
  3. Der Schutzabstand einer Windenergieanlage zu Wohnbebauungen sollte nicht über das Maß hinausgehen, das sich – für die jeweilige Generation der Windenergieanlage – aus Lärmschutzgründen und nach dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot ergibt.

1. Die neue Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch

Am 14. August 2020 ist das „Gesetz zur Vereinbarung des Energieeinsparrechts für Gebäude und zur Änderung weiterer Gesetze“ in Kraft getreten. Mit Artikel 2 des Gesetzes wurde § 249 Absatz 3 Baugesetzbuch (BauGB) neu gefasst. Hiernach können die Länder durch Landesgesetze bestimmen, dass Vorhaben zur Nutzung der Windenergie nur dann die Privilegierung im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB genießen, wenn sie einen Mindestabstand zu bestimmten Arten der Wohnbebauung einhalten. Der auf Landesebene festgelegte Mindestabstand darf bis zu 1.000 Metern betragen.

2. Folgen für die Flächenverfügbarkeit

Was aber wäre die Folge solcher Mindestabstände zur Wohnbebauung, vor allem, wenn das zulässige Maß von 1.000 Metern ausgeschöpft wird?[1] Das Umweltbundesamt hatte bereits vor dem Gesetzesvorhaben angesichts der schon damals schwelenden Diskussion untersucht, inwieweit solche Mindestabstände die aktuell auf Regionalplanungsebene ausgewiesenen Flächen für die Windenergie beschneiden würden. Das Ergebnis: Pauschale Abstände, die über das Maß hinausgehen, die aus Lärmschutzgründen und nach dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot notwendig sind, führen bei der Mehrheit der deutschen Bundesländer zu einer deutlichen Reduzierung der ausgewiesenen Flächen.[2] In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen beispielsweise verblieben schon bei 600 Metern nur noch etwa 40 Prozent der derzeit geplanten Windflächen, bei 800 Metern weniger als 20 Prozent und bei 1.000 Metern Abstand in Nordrhein-Westfalen gar nur noch etwa 15 Prozent und in Schleswig-Holstein sogar weniger als 10 Prozent.[3] Das entspräche dann schon fast bayerischen Verhältnissen, wo der Windenergieausbau seit der Einführung der 10-H-Regelung praktisch zum Erliegen gekommen ist. Dass Windenergieanlagen angesichts ihrer Höhe, Rotationsbewegung und Lärm-Emissionen nur mit einem gewissen Schutzabstand zur Wohnbebauung errichtet werden sollten, ist ein zweifellos berechtigtes Anliegen. Während man vor wenigen Jahrzehnten noch ohne großes Zögern Kohlekraftwerke mitten in den Städten errichtete[4], war bei der Gesetzgebung zur Windenergie bereits klar: Die Anlagen müssen aus Rücksicht auf die dort lebenden Menschen außerhalb von Siedlungsgebieten stehen. Das öffentliche Interesse an einem verstärkten Ausbau der Windenergienutzung sollte aber gleichfalls gesetzlich manifestiert werden. Anlagen zur Nutzung der Windenergie erhielten daher mit § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiertes Baurecht im Außenbereich. Unvermeidliche Folge dieser Rücksichtnahme auf den Menschen ist nur eben auch: Je weiter die Windenergienutzung von den Siedlungsgebieten entfernt stattfinden soll, desto weiter wird sie in die Naturräume gedrängt. Soll die Energiewende umgesetzt werden, müssen die für die Windenergienutzung ausgewiesenen Flächen, die durch Mindestabstände wegfallen würden, an anderer Stelle neu ausgewiesen werden. Die Flächen für die Windenergienutzung würden also zwangsläufig weiter in die Naturräume verlagert, wo es unweigerlich zu artenschutzrechtlichen Konflikten käme. Schon jetzt, ohne pauschale Mindestabstände, werden die Flächen ohne maßgebliche Artenschutz-Konflikte immer knapper.[5] Demgegenüber hat sich jedoch gezeigt, dass sich die Akzeptanz vor Ort durch pauschale Abstände entgegen der Intention des Gesetzgebers nicht erhöht. Als viel wirkungsvoller erweisen sich in Sachen Akzeptanzförderung unter den Anwohnenden eine frühe und faire Beteiligung sowie finanzielle Teilhabe.[6] Diese Zusammenhänge zeigen sich auch in der Beratungstätigkeit des KNE sehr deutlich. Geht es um die Akzeptanz unter den Anwohnenden, sind pauschale Siedlungsabstände nicht das richtige Mittel. Nun ist das Gesetz allerdings Realität. Inwieweit es in den einzelnen Bundesländern noch politischen Spielraum gibt, geringere Abstände als die möglichen 1000 Meter festzulegen, bleibt zu beobachten.

3. Chance moderater Mindestabstände: Nebeneffekt in Raumordnung und Bauleitplanung

Ein möglicher Weg, die Länderöffnungsklausel sinnvoll zu nutzen, und dennoch die Windenergie nicht weiter als unvermeidbar in die Naturräume zu verlagern, könnte in der Festlegung moderater Mindestabstände, deutlich unter 1.000 Meter, liegen. Das Maß müsste sich dafür vor allem an den bau- und immissionsschutzrechtlich ohnehin erforderlichen Abständen von Windenergieanlagen der aktuellen Generation orientieren. Solche moderaten Mindestabstände zur Wohnbebauung hätten einen nicht zu vernachlässigenden Nebeneffekt im Bereich der Raumordnung und der Bauleitplanung. Beide stehen vor dem Dilemma, dass sich bislang kein Vorgehen herauskristallisiert hat, harte Tabuzonen um Wohngebiete herum rechtssicher festzulegen. Immer wieder werden von den Gerichten Planungsfehler festgestellt, die je nach Konstellation und Gericht zur Unwirksamkeit der betroffenen Pläne führen können.[7] Die Gerichte verlangen zwar die Festsetzung harter Tabuzonen um Wohngebiete, wo Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen aufgrund des Immissionsschutzes oder des baurechtlichen Rücksichtnahmegebotes rechtlich ausgeschlossen ist.[8] Ungeklärt ist jedoch, wie sich das Maß dieser Schutzabstände rechtssicher bestimmen lässt.[9] Gerungen wird zum Beispiel um die Frage, ob die Schutzzonen um Wohnbebauung anhand von Referenzanlagen hinsichtlich ihrer potenziell bedrängenden Wirkung oder hinsichtlich ihrer Schall-Emissionen bestimmt werden sollen. Die Planungspraxis harrt – wie wir aus Gesprächen mit Praktikern wissen – bei beiden Varianten bereits der Klagen gegen ihre Festlegungen, weil von den Gerichten nur entschieden, nicht aber begründet wurde, weshalb gerade bei Abständen bis zum Zweifachen der Anlagenhöhe sicher von einer bedrängenden Wirkung auszugehen[10], bei Abständen ab dem Dreifachen der Anlagenhöhe eine bedrängende Wirkung auszuschließen sein soll.[11] Nicht ersichtlich ist auch, weshalb mit Blick auf die Schall-Emissionen einer Referenzanlage von deren Regelbetrieb ausgegangen werden kann[12] und nicht ein – durchaus üblicher – schallreduzierter Betrieb angenommen werden müsste. Immerhin geht es hier um die Bestimmung der Flächen, auf denen die Windenergienutzung rechtlich ausgeschlossen ist. Ein gesetzlich festgelegter Mindestabstand zur Wohnbebauung würde als Schutzabstand klar eine harte Tabuzone definieren, da dann innerhalb des entsprechenden Abstands die Nutzung von Windenergie ohne Interpretationsspielraum rechtlich ausgeschlossen wäre. Alle weiteren Debatten um die richtige Referenzanlage, die Grenze zur bedrängenden Wirkung sowie zu einem immissionsschutzrechtlichen Ausschlussbereich wären damit gegenstandslos. Regional- und Bauleitpläne hätten ein Risiko der Unwirksamkeit weniger zu tragen.

Fazit

Die naturverträgliche Energiewende ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Die Windenergienutzung mit umfangreichen pauschalen Abständen zur Wohnbebauung immer weiter in die Naturräume zu drängen, würde die Erreichung dieses Ziels massiv gefährden. Das KNE plädiert daher dafür, die Länderöffnungsklausel mit Bedacht zu nutzen, und dabei dringend darauf zu achten, dass möglichst zwei Prozent der Landfläche für die Nutzung der Windenergie verfügbar bleiben, ohne weiter in Naturräume eindringen zu müssen, die unter Artenschutzgesichtspunkten sensibel sind. Eine Chance, die neue Länderöffnungsklausel sinnvoll zu nutzen – weniger im Interesse der Akzeptanz als zugunsten der Regional- und der Bauleitplanung –, sehen wir in der Festlegung moderater Mindestabstände, die insbesondere in Ländern mit hoher Siedlungsdichte deutlich unter 1.000 Metern liegen sollten. Zur wirksamen Förderung der Akzeptanz in der anwohnenden Bevölkerung empfehlen wir frühe und faire Beteiligungsverfahren und die Sicherstellung regionaler Wertschöpfung. [1] In Thüringen liegt bereits seitens der CDU-Fraktion ein Gesetzentwurf über einen einheitlichen Mindestabstand von 1.000 Metern vor: http://www.parldok.thueringen.de/ParlDok/dokument/77350/drittes_gesetz_zur_aenderung_der_thueringer_bauordnung_einfuehrung_einer_abstandsregelung_von_windkraftanlagen_zur_wohnbebauung.pdf, letzter Abruf: 28.10.2020. [2] Analyse der kurz- und mittelfristigen Verfügbarkeit von Flächen für die Windenergienutzung an Land, Umweltbundesamt (Hrsg.), Juni 2019: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/climate_change_38_2019_flaechenanalyse_windenergie_an_land.pdf; Auswirkungen von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und Siedlungen – Auswertung im Rahmen der UBA-Studie „Flächenanalyse Windenergie an Land“, Umweltbundesamt (Hrsg.), März 2019: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2019-03-20_pp_mindestabstaende-windenergieanlagen.pdf. [3] Analyse der kurz- und mittelfristigen Verfügbarkeit von Flächen für die Windenergienutzung an Land, Umweltbundesamt (Hrsg.), Juni 2019: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/climate_change_38_2019_flaechenanalyse_windenergie_an_land.pdf, S. 94. Eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums kommt zu dem Schluss, dass durch einen Mindestabstand von 1.000 Metern, je nachdem ob er auch bezogen auf Wohnbebauung im Außenbereich gelten soll, im Bundesdurchschnitt 10 bis 40 Prozent der bislang zur Nutzung der Windenergie ausgewiesen Flächen verloren gingen, auch hier mit sehr großen regionalen Unterschieden – je nach Siedlungsdichte mit Verlusten in NRW von ca. 75 Prozent, in Schleswig-Holstein bis zirka 95 Prozent. Wissenschaftliche Fundierung der Beratungen zu Abstandsregelungen bei Windenergie an Land, Navigant Energie Germany GmbH in Zusammenarbeit mit Fraunhofer IEE (2019), S. 25 ff.: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/wissenschaftliche-fundierung-der-beratungen-zu-abstandsregelungen-bei-windenergie-an-land.pdf?__blob=publicationFile&v=4, letzter Abruf: 30.10.2020. [4] So zum Beispiel das Heizkraftwerk Reuter West in Berlin, Ende der 1980er Jahre. [5] So beruhen nach einer Umfrage der FA-Wind fast drei Viertel aller Klagen gegen Windenergieprojekte auf Artenschutz-Gesichtspunkten: FA Wind (2019): Hemmnisse beim Ausbau der Windenergie in Deutschland –Ergebnisse einer Branchenumfrage, https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/Analysen/FA_Wind_Branchenumfrage_beklagte_WEA_Hemmnisse_DVOR_und_Militaer_07-2019.pdf [6] Hübner, G., Pohl, J., Hoen, B., Firestone, J., Rand, J., Elliott, D., Haac, R. (2019): Monitoring annoyance and stress effects of wind turbines on nearby residents: A comparison of U.S. and European samples. In: Environment International 132, 2019, S. 1-9; siehe hierzu auch unsere Wortmeldung zur Studie von Hübner et al. vom 4. Februar 2020 „Fairness ist wichtiger als 1.000 Meter Mindestabstand“: https://www.naturschutz-energiewende.de/kompetenzzentrum/presse/pressemitteilungen/fairness-wichtiger-als-1-000-meter-mindestabstand/. [7] So z. B. OVG Lüneburg, Urteile vom 7. Februar 2020 – 12 KN 75/18 und vom 25.4.2019 – 12 KN 22/17, Rn. 80 m.w.N.; OVG Münster, Urt. v. 5.7.2017 – 7 D 105/14.NE, Rn. 41 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Mai 2019 – OVG 2 A 4.19 –, Rn. 138. (Hier wird zumindest angenommen, dass sich die falsche Differenzierung zwischen harten und weichen Tabuzonen in Bezug auf die Abstände zur Wohnbebauung nicht auf das Planungsergebnis ausgewirkt habe.); OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 5.7.2018 – OVG 2 A 2.16, Rn. 96; OVG Magdeburg Urteil vom 21. Oktober 2015 – 2 K 109/13, Rn. 44 ff; OVG Schleswig, Urteil vom 20. Januar 2015 – 1 KN 6/13, Rn. 65. [8] BVerwG, Urteil vom 11. April 2013 - 4 CN 2.12Rn. 8; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 5.7.2018 – OVG 2 A 2.16, Rn. 96. [9] Zu den Erfordernissen im Einzelnen und m.w.N. siehe Nils Wegner, Fehlerquellen von Windkonzentrationszonenplanungen – ein Update, Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht Nr. 37 vom 14.12.2018, S. 9. [10] OVG Münster, Urteil vom 9.8.2006 - 8 A 3726/05; dem folgend OVG Lüneburg, bspw. Urteile vom 13.7.2017 – 12 KN 206/15, Rn. 37 ff. und vom 26.10.2017 – 12 KN 119/16, Rn. 80. [11] Noch einmal klarstellend OVG Lüneburg, Urteil vom 13.7.2017 – 12 KN 206/15, Rn. 42. [12] OVG Münster, Urt. v. 5.7.2017 – 7 D 105/14.NE, Rn. 46 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 5.7.2018 – OVG 2 A 2.16, Rn. 96.
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30.10.2020

Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2021) – Wird die Ausnahme jetzt zur Regel?

Hinweis: Diese Wortmeldung bezieht sich auf einen Referentenentwurf. Im EEG 2021 ist der § 1 Abs. 5 EEG 2021 entfallen.

Was bedeutet es, wenn erneuerbare Energien im Interesse der öffentlichen Sicherheit liegen?

Anlässlich der beginnenden parlamentarischen Beratungen des Bundestages zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2021 setzt sich das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende mit einigen Naturschutzaspekten des EEG 2021 auseinander.

Heute: der Kontext der öffentlichen Sicherheit im neuen § 1 Abs. 5 EEG 2021.

Damit Deutschland seine Klimaschutzziele erreicht, muss der Ausbau erneuerbarer Energien deutlich beschleunigt werden. Der neue Paragraf 1 Absatz 5 des EEG 2021 sieht vor, dass die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien im öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Auf den ersten Blick scheint dies selbstverständlich, denn die Energiewende ist kein Selbstzweck. Der umfassende Umstieg auf die Nutzung erneuerbarer Energien dient dazu, die sich deutlich abzeichnenden bedrohlichen Auswirkungen eines weiteren Klimawandels zu verhindern. Der neu eingefügte Passus des § 1 Abs. 5 soll insbesondere den Ausbau der Windenergie erleichtern. Windenergieanlagen können nur errichtet und betrieben werden, wenn dadurch nicht gegen die artenschutzrechtlichen Verbote und insbesondere nicht gegen das Verbot, eine besonders geschützte Art zu töten, verstoßen wird. Kommt es zu einem Verstoß, kann eine artenschutzrechtliche Ausnahme vom Tötungsverbot erteilt werden. Die Ausnahme – nach § 45 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz – soll im Einzelfall Verbotstatbestände überwinden und Projekte zulassen, obwohl sie im Hinblick auf die artenschutzrechtlichen Vorgaben der Regelgenehmigung gescheitert sind. Wenn Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien im öffentlichen Interesse lägen und der öffentlichen Sicherheit dienten, wäre damit ein Ausnahmegrund gegeben. Denn das Bundesnaturschutzgesetz und die europäische Vogelschutzrichtlinie ermöglichen Ausnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit. Ausnahmen im Bereich der Windenergie wurden bislang auf den Ausnahmegrund der „anderen zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“ gestützt. Dieser Ausnahmegrund findet sich im Bundesnaturschutzgesetz, hat allerdings keine Entsprechung in der EU-Vogelschutzrichtlinie, weshalb die Regelung von der Judikative teils als nicht europarechtskonforme Umsetzung der Richtlinie angesehen wird. Dieser Rechtsunsicherheit sucht der neue § 1 Abs. 5 EEG 2021 entgegenzuwirken. Die Vorschrift bezieht sich nicht auf die Regelgenehmigung, sondern nur auf den Ausnahmefall. Sie ist im Hinblick auf den Artenschutz nur in der Zusammenschau mit den Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes und der Vogelschutzrichtlinie richtig einzuordnen. Eine Ausnahme ist allerdings – auch bei Vorliegen eines Ausnahmegrundes – nicht ohne Weiteres zu erlangen. Es müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein: Es darf keine zumutbaren Alternativen geben, und der Erhaltungszustand der Population der Art darf sich nicht verschlechtern, wofür populationsstützende Maßnahmen vorgesehen werden können. Auch mit der neuen Vorschrift bleibt es in Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen grundsätzlich bei einem Regelgenehmigungsverfahren und einer individuenbezogenen Risikobetrachtung.

Fazit

Es gibt gute Gründe, die dafürsprechen, dass der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien im Interesse der öffentlichen Sicherheit liegt. Nur ein beschleunigter Erneuerbaren-Ausbau kann angesichts des Ausstiegs aus Kernenergie und Kohleverstromung die Versorgungssicherheit gewährleisten. Zudem werden negative Folgen des Klimawandels – von Beeinträchtigungen der Gesundheit bis zu volkswirtschaftlichen Schäden – abgemildert. Der besondere Artenschutz wird mit dem neuen Paragrafen nicht unterwandert. Die Rolle des besonderen Artenschutzrechts in der Regelgenehmigung bleibt unangetastet, und die Ausnahme bleibt eine solche, da sie nur bei kumulativem Vorliegen ihrer strengen Voraussetzungen erteilt werden darf. Der Frage, inwieweit eine mitgliedstaatliche Festschreibung der öffentlichen Sicherheit für er-neuerbare Energien juristisch zulässig ist, wird das KNE in einer weiteren Wortmeldung nachgehen.
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14.10.2020

Kamera- und Radarsysteme an Windenergieanlagen sollen Vögel gezielt schützen und pauschale Abschaltungen reduzieren

Anhand welcher Kriterien und Maßstäbe lässt sich die fachliche Eignung und Wirksamkeit von automatischen Detektions- und Abschaltsystemen an Windenergieanlagen zum Schutz von Vögeln beurteilen? Auf Grundlage einer Expertenbefragung hat das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) im Rahmen eines Forschungsprojekts dazu Empfehlungen erarbeitet. Kamera- und Radarsysteme müssen eine hohe Wirksamkeit aufweisen, wenn sie im Genehmigungsverfahren einer Windenergieanlage eingesetzt werden sollen, um das Kollisionsrisiko unter die Signifikanzschwelle zu senken. Nähert sich der Windenergieanlage ein Exemplar einer für die Genehmigung relevanten kollisionsgefährdeten Vogelart, für die ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nachgewiesen ist, so muss dies rechtzeitig erkannt werden, um kurzfristig eine Abschaltung vorzunehmen. „Für die fachliche Eignung und Anerkennung kommt es darauf an, dass die Systeme so leistungsfähig und zuverlässig sind, dass sie eine hohe Erfassungsrate, geringe Fehl-Erkennungsraten und möglichst geringe Ausfallzeiten aufweisen. Von der jeweiligen Topografie und von Sichtverschattungen am Standort wird es abhängen, ob eine ausreichende Raumabdeckung erreicht werden kann. Im Falle von Fehlfunktionen oder Ausfällen der Kamera können Regeln vorgesehen werden, wonach man auf pauschale Abschaltungen zurückfällt und damit den Schutz der Arten sicherstellt“, fasst KNE-Expertin Dr. Elke Bruns die Ergebnisse zusammen. Ein hundertprozentiger Schutz sei rechtlich allerdings nicht geboten. Zudem müsse die Beurteilung der Wirksamkeit im Einzelfall für Gutachter und Behörden mit vertretbarem Aufwand praktikabel bleiben. „Je sicherer das System nicht nur ein ,Flugobjekt‘ erfasst, sondern unterscheiden kann, um welche kollisionsgefährdete Vogelart es sich handelt, desto eher trägt eine kurzzeitige automatisierte Abschaltung zur Reduzierung pauschaler und wesentlich längerer Abschaltzeiten in bestimmten Jahres- und Brutzeiten bei“, so Bruns weiter, “das kann sich für die Betreiber sogar finanziell lohnen, wie erste Berechnungen zeigen.“ Im Rahmen des Projektes haben ARSU GmbH und 8.2 Ingenieurbüro Holzmüller einen Ansatz entwickelt, mit dem der Ertragsausfall für Betreiber überschlägig ermittelt werden kann. „Die Ergebnisse zeigen, dass der durch automatische bedarfsgerechte Abschaltung verursachte Ertragsausfall in den betrachteten Szenarien im Vergleich zu pauschalen Abschaltungen um ein Vielfaches geringer ist“, resümiert Bruns. Selbst bei einer vergleichsweise hohen Anzahl von durchschnittlich 20 Abschaltungen pro Tag liege der Ertragsausfall für den Betreiber bei weniger als einem Zehntel im Vergleich zu pauschalen Abschaltungen. Im Mittel aller sechs betrachteten Standorte konnte der Ausfall von 28,6 Prozent auf 2,3 Prozent reduziert werden. Dieser Mittelwert dürfe jedoch nicht überdecken, dass es zwischen einzelnen Standorten beträchtliche Unterschiede gebe.

Hintergrund

Automatische Überwachungs- und Abschaltsysteme an Windenergieanlagen haben sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Bisher gelten sie aber nur in wenigen Bundesländern als mögliche Schutzmaßname, mit der Vogelkollisionen vermindert werden können. Vor der Anerkennung als Vermeidungsmaßnahme sollen noch weitere Erprobungen durchgeführt werden. Die Ergebnisse dieser Erprobungen gilt es zu beurteilen. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden Expertinnen und Experten in vier Workshops gebeten, Kriterien und Maßstäbe für die Beurteilung der Wirksamkeit der Maßnahmen zu benennen und Empfehlungen für den Vollzug zusammenzutragen. Die vorläufigen Ergebnisse stoßen offenbar auf großes Interesse: So haben sich über 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die KNE-Online-Veranstaltung am 14.10.2020 angemeldet. Finanziert wurde das Projekt vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Das KNE Das 2016 gegründete Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) ist eine von der Umweltstiftung Michael Otto getragene und vom Bundesumweltministerium finanzierte Einrichtung. Zweck der gemeinnützigen GmbH ist die Unterstützung einer naturverträglichen Energiewende vor Ort. Das KNE bietet Beratung und umfangreiche Fachinformationen an, es organisiert Dialog und Austausch, und vermittelt, wenn es beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu Konflikten kommt, speziell ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren.
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06.10.2020

Ja, Podcast machen wir jetzt auch!

Welche Herausforderungen sich aus der Energiewende für den Artenschutz ergeben und wie Naturschutzkonflikte bei der Umsetzung vor Ort vermieden werden können – das sind Themen, die das KNE ab sofort auch in einer Podcast-Reihe beleuchten wird. Los geht es heute, am 6. Oktober 2020. Im zweiwöchigen Rhythmus reflektieren die Moderatoren Dr. Torsten Raynal-Ehrke, Direktor des KNE, sowie Geschäftsführer Michael Krieger die Arbeit des KNE und diskutieren mit ihren Gästen, wie Naturschutz und erneuerbare Energien gemeinsam vorangebracht werden können. „Der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien zählt zu den größten gesellschaftlichen Herausforderung unserer Zeit. Das KNE ermöglicht den Dialog darüber, wie dabei negative Auswirkungen auf Natur und Tierwelt minimiert werden können. Mit unserem Podcast wollen wir auf unterhaltsame Weise Fachinformationen weitergeben, Debatten versachlichen helfen und den einen oder anderen Denkanstoß in den Alltag der Energiewende mitgeben“, betont Raynal-Ehrke. Allen, denen die Zeit fehlt, umfangreiche Studien zu lesen, bietet der KNE-Podcast "Naturschutz und Energiewende" schon beim Frühstück, im Bad oder auf dem Weg zur Arbeit die Möglichkeit, sich kompakt zu informieren.

Was, wann und wo?

Die erste Folge ist seit heute online verfügbar. Im 14-tägigen Rhythmus wird es eine neue Folge geben. Folge 1: „Vogelkollisionen an Windenergieanlagen vermeiden“ Kamera- und Radarsysteme sind heute in der Lage, einzelne Vögel wie etwa den Rotmilan, Seeadler oder Schwarzstorch zu erkennen. Eine vorübergehende Abschaltung könnte künftig Kollisionen an Windenergieanlagen vermeiden. Über den aktuellen Stand der Forschung sprechen Dr. Torsten Raynal-Ehrke und Michael Krieger mit KNE-Expertin Eva Schuster.
  • Verfügbar ab dem 6. Oktober 2020.
Folge 2: „Tickt die Energiewende in Deutschlands Süden anders?“ Gibt es Besonderheiten des Ausbaus der erneuerbaren Energien im Süden Deutschland, und wie trägt das KNE hier zur Lösung von Naturschutzkonflikten bei? Darüber sprechen Dr. Torsten Raynal-Ehrke und Michael Krieger mit Dr. Martin Köppel, der das KNE im Süden der Republik etabliert hat.
  • Verfügbar ab dem 20. Oktober 2020.
Folge 3: K20 – Wie bringt man die naturverträgliche Energiewende in ein Buch? Das diesjährige rund 300 Seiten starke Jahrbuch des KNE widmet sich den Herausforderungen, Möglichkeiten und Projekten einer naturverträglichen Energiewende konkret vor Ort. Mit Redakteurin Anke Ortmann unterhalten sich die Moderatoren darüber, wie das Werk entstand, und wie sich die ändernde Praxis der Energiewende auch in einem Jahrbuch spiegelt.
  • Verfügbar ab dem 3. November 2020.
Das KNE Das 2016 gegründete Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) ist eine von der Umweltstiftung Michael Otto getragene und vom Bundesumweltministerium finanzierte Einrichtung. Zweck der gemeinnützigen GmbH ist die Unterstützung einer naturverträglichen Energiewende vor Ort. Das KNE bietet Beratung und umfangreiche Fachinformationen an, es organisiert Dialog und Austausch, und vermittelt, wenn es beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu Konflikten kommt, speziell ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren.
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23.09.2020

EEG 2021: Flächenverfügbarkeit wird zur zentralen Herausforderung der Energiewende

„Wir brauchen einen neuen Konsens aller Beteiligten, um den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen und zugleich die hohen Standards des Artenschutzes und die Akzeptanz der Bevölkerung aufrecht zu erhalten“, betont KNE-Direktor Dr. Torsten Raynal-Ehrke anlässlich der heute vom Bundeskabinett beschlossenen EEG-Reform. „Eine frühzeitige Einbindung und transparente Planung von Erneuerbare-Energien-Anlagen sind der Schlüssel, um Konflikten vor Ort vorzubeugen. Naturschutz und Energiewende dürfen sich dabei nicht auseinanderdividieren lassen. Durch verlässliche Fachinformation, die Versachlichung von Debatten und individuelle Beratung bei Konflikten vor Ort wird das KNE einen wichtigen Beitrag leisten, um ausgewiesene Flächen unter angemessener Berücksichtigung des Naturschutzes auch tatsächlich für den Ausbau der erneuerbaren Energien nutzbar zu machen. In diesem Kontext spielen auch technische Lösungen wie die Kamera- und Radarsysteme an Windenergieanlagen zur Vermeidung von Vogelkollisionen eine Rolle. Diese können auch bei der Exploration neuer Windenergieflächen eingesetzt werden, beispielsweise bei der Identifikation konfliktarmer Flächen für den Windenergieausbau“, so Raynal-Ehrke. Die in Paragraph 99 EEG 2021 vorgeschlagene verbesserte Bund-Länder Koordination sei ein wichtiger und überfälliger Schritt, um mehr geeignete Flächen auszuweisen, die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen sowie die Ausbauziele regelmäßig zu überprüfen. Der Beschluss sieht vor, dass künftig auch weniger windstarke Standorte genutzt werden, um dem Windausbau an Land neuen Schwung zu verleihenAuch für Solaranlagen in der Freifläche wird die Gebietskulisse mit dem EEG 2021 erweitert. „Besonders Photovoltaik an und auf Gebäuden schont Natur und Landschaft und hilft Flächenkonkurrenzen zu vermeiden. Werden Solarparks realisiert, sollte die Arten- und Habitate-Vielfalt messbar steigen, die Flächen also eine Aufwertung erfahren. Neben ersten Selbstverpflichtungen braucht es dafür noch verbindliche Standards“, so Raynal-Ehrke weiter. Was den Ausbau der Windenergie an Land angehe, laufen derzeit Gespräche zur Vereinheitlichung der Signifikanz-Schwellen zur Ermittlung des signifikant erhöhten Tötungsrisikos. Die Umweltministerkonferenz im November biete die Chance, das Signifikanzkriterium handhabbarer zu machen, damit Genehmigungen schneller und rechtssicher erteilt werden können. Das KNE ist hier aktiv in die Vorbereitungen eingebunden. Die notwendige Beschleunigung von Genehmigungs- und Planungsprozessen dürfe dabei keinesfalls zu einem Abbau von Naturschutz-Standards führen. „Angesichts des beschleunigten Erneuerbaren-Ausbaus rechnen wir mit einem steigenden Bedarf an Fachinformationen, Dialog und Konfliktberatung. Als neutraler Ansprechpartner unterstützt das KNE eine naturverträgliche Energiewende vor Ort“, so Raynal-Ehrke abschließend.

Hintergrund

Um die Klimaziele zu erreichen, ist ein schneller Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich. Die heute vom Bundeskabinett beschlossene EEG-Novelle 2021 sieht vor, dass der Anteil der Erneuerbaren am Strommix bis 2030 auf 65 Prozent steigt. Aus Sicht der Naturschutzverbände auf Bundesebene und der Energiewirtschaft wäre sogar ein weitaus ambitionierterer Ausbau notwendig. Durch den beschleunigten Ausbau von Windenergie an Land und Photovoltaik werden die Flächenverfügbarkeit sowie der natur- und anwohnerverträgliche Ausbau der Erneuerbaren zur zentralen Herausforderung des nächsten Jahrzehnts. Das KNE Das 2016 gegründete Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) ist eine von der Umweltstiftung Michael Otto getragene und vom Bundesumweltministerium finanzierte Einrichtung. Zweck der gemeinnützigen GmbH ist die Unterstützung einer naturverträglichen Energiewende vor Ort. Das KNE bietet Beratung und umfangreiche Fachinformationen an, es organisiert Dialog und Austausch, und vermittelt, wenn es beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu Konflikten kommt, speziell ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren.
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22.07.2020

Vogelkollisionen an Windenergieanlagen mit technischen Lösungen mindern

Gemeinsame Pressemitteilung des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende mit dem Bundesamt für Naturschutz und der Fachagentur zur Förderung eines natur- und umweltverträglichen Ausbaus der Windenergie an Land e. V.
  • Moderne Detektionssysteme haben großes Potenzial zum Schutz von Vögeln
  • Neue Publikation fasst Kenntnisstand zusammen
Wie können technische Systeme an Windenergieanlagen so eingesetzt werden, dass Vogelkollisionen vermieden werden? Wie lassen sich so Windenergieausbau und gleichzeitig Vogelschutz sicherstellen? Welche Schritte sind erforderlich, damit solche technischen Lösungen möglichst schnell angewandt werden können? Anhand dieser Fragestellungen haben die Autorinnen und Autoren einer neuen Publikation den aktuellen Stand zu modernen Detektionssystemen zusammengefasst. Die Ergebnisse haben das Bundesamt für Naturschutz (BfN), das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) und die Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) jetzt gemeinsam veröffentlicht. „Wir hoffen, dass in absehbarer Zukunft technische Systeme leistungsfähig genug sein werden, um an einer Reihe von Standorten Kollisionen von Vögeln mit Windenergieanlagen wirksam zu vermeiden. Die Publikation gibt einen Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand, bestehende Herausforderungen und liefert zugleich erste Antworten, um den Prozess der Anerkennung und Einführung von solchen Systemen zur Minderung von Vogelkollisionen zu begleiten und zu unterstützen“, so BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel. „Seit 2017 haben wir verfolgt, wie die technische Entwicklung zur Erfassung und Erkennung von Vögeln im Luftraum fortgeschritten ist“, sagt KNE-Direktor Dr. Torsten Raynal-Ehrke. „Mit den neuartigen Kamera- oder Radarsystemen kann der Luftraum um eine Anlage observiert werden. Kommt eine kollisionsgefährdete Art der Windenergieanlage gefährlich zu nahe, kann diese Anlage vorübergehend abgeschaltet werden. Die Erkennung der Vogelart und die Reaktion der Anlage darauf müssen zuverlässig sein.“ Damit die neuen Systeme zur Vermeidung und Minderung von Vogelkollisionen eingeführt werden können, sind eine Reihe von fachlichen, juristischen und wirtschaftlichen Fragen zu beantworten. Diese wurden in der Publikation auf Basis des aktuellen Kenntnisstandes systematisch zusammengetragen. „Diese Zusammenstellung ist eine gute Grundlage für die weitere Diskussion der fachlichen Anforderungen und für die weiteren Schritte zur Einführung der Systeme in die Praxis“, befindet auch die Geschäftsführerin der FA Wind, Dr. Antje Wagenknecht. „Es zeigt sich, dass Fragen rund um die Leistungsfähigkeit der Systeme heute bereits beantwortet werden können. Auch zeichnet sich ein Konsens über die Mindestanforderungen an einzelne Faktoren ab, die für die Wirksamkeit von Systemen ausschlaggebend sind“, stellt Torsten Raynal-Ehrke fest. Technisch-wirtschaftliche Aspekte sowie Fragen zur Umsetzung bei den unterschiedlichsten Projekt- bzw. Standortkonstellationen sind, teilweise durch Einzelfallprüfungen, noch zu beantworten. Die offenen Fragen und Anforderungen werden derzeit mit einem Kreis von Expertinnen und Experten im Rahmen der BfN/KNE-Workshopreihe „Anforderungen an technische Überwachungs- und Abschaltsysteme an Windenergieanlagen“ diskutiert. Die Ergebnisse werden in die Fortschreibung der Publikation einfließen. Wertvolle Erfahrungen zu unterschiedlichen Systemen werden aktuell auch durch Forschungsprojekte, etwa „NatForWINSENT“, im Rahmen des Forschungsschwerpunktes Naturschutz und erneuerbare Energien gesammelt. Diese Forschungen werden ergänzt durch Erprobungen in der Praxis durch Hersteller und Betreiber, indem Vogelbeobachtungen und Leistungsmerkmale der Systeme an verschiedenen Standorten in Deutschland verglichen werden. „Diese vielfältigen Teilergebnisse sollen in den kommenden zirka zwei Jahren schrittweise zusammengeführt werden. Damit wird ein weiterer Baustein geschaffen, um den notwendigen Ausbau der Windenergie naturverträglich zu gestalten“, resümiert Beate Jessel. Erstellt wurde die Publikation gemeinsam von BfN, KNE und FA Wind auf der Basis der vielfältigen Erfahrungen aus eigenen Konferenzen, Fachgesprächen und Forschungsprojekten. Bezug: Ammermann, K., Bruns, E., Ponitka, J., Schuster, E., Sudhaus, D. & Tucci, F. (2020): Technische Systeme zur Minderung von Vogelkollisionen an Windenergieanlagen. – Entwicklungsstand und Fragestellungen – BfN-Skripten 571, 29 S. Weitere Informationen zum Thema:
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14.07.2020

Neues KNE-Erklärvideo: Artenschutzrechtliche Ausnahmen für die Windenergie – Worum genau geht es da eigentlich?

Die Energiewende kann nur gelingen, wenn die Windenergie erheblich ausgebaut wird. Flächen ohne Konfliktpotenzial mit dem Arten- und Naturschutz sind jedoch kaum noch verfügbar. Die Vorgaben aus dem Bundesnaturschutzgesetz sind aber sehr weitgehend: Wenn ein einzelnes Exemplar einer besonders geschützten Art mit einer Windenergieanlage kollidieren könnte und diese Kollision nicht durch Maßnahmen vermieden werden kann, kann dies bereits ein artenschutzrechtliches Verbot auslösen. Der Bau von Windenergieanlagen wäre in diesen Fällen damit faktisch ausgeschlossen. In einem neuen Video erklärt das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE), unter welchen strengen artenschutzrechtlichen Bedingungen Windenergieanlagen auch an Standorten errichtet und betrieben werden können, an denen das Vorhaben in der Regelgenehmigung an artenschutzrechtlichen Verboten scheitern würde. „Bei der Ausnahme im besonderen Artenschutzrecht steht der Erhaltungszustand der Population einer Art im Vordergrund, der sich durch die neue Windenergieanlage insgesamt nicht verschlechtern darf“, erläutert Dr. Silke Christiansen, Rechtsreferentin im KNE. „Es geht dabei nicht, wie der Begriff suggerieren kann, um eine Ausnahme vom Artenschutz, sondern vielmehr um einen Perspektivwechsel weg vom Individuen- und hin zum Populationsschutz“, so Christiansen weiter. KNE-Direktor Dr. Torsten Raynal-Ehrke betont: „Aus unserer Sicht ist die Ausnahme zwar kein Allheilmittel für artenschutzrechtliche Konflikte, sie trägt im Einzelfall jedoch dazu bei, artenschutzrechtliche Konfliktlagen zu überwinden sowie Energiewende und Naturschutz gleichermaßen voranzubringen. Wir plädieren daher für eine differenzierte Auseinandersetzung auf rechtlicher und fachlicher Ebene, für die das KNE als unabhängiger Gesprächspartner und Organisator von Austausch- und Einigungsprozessen zur Verfügung steht.“ Hintergrund Die Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Nr. 5 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) soll nach dem Willen des Gesetzgebers als letztes Mittel dienen, um im Einzelfall Verbotstatbestände zu überwinden und Projekte zuzulassen. Sie kann daher nicht als grundsätzliche Lösung für eine stockende Energiewende dienen. Es müssen zunächst andere Lösungswege gesucht werden, die eine Regelgenehmigung ermöglichen könnten. Insbesondere sollten Standorte für Windenergieanlagen gewählt werden, die artenschutz-rechtlich möglichst unproblematisch sind. Allerdings wird es – aus verschiedenen Gründen – immer schwieriger, konfliktfreie Standorte zu finden. Eine aktuelle Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) kommt zu dem Ergebnis, dass nur noch wenige konfliktfreie Flächen zur Verfügung stehen.
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18.06.2020

Das KNE-Jahrbuch K20 blickt auf die Energiewende vor Ort

Das diesjährige rund 300 Seiten starke Jahrbuch des KNE widmet sich den Herausforderungen, Möglichkeiten und Projekten einer naturverträglichen Energiewende konkret vor Ort. Die Vielfalt der Beiträge der Autorenschaft in „K20 – Energiewende vor Ort“ spiegelt dabei die Spannbreite der Themen und die Komplexität der Anforderungen der Energiewende wider. „In der Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort konnten wir feststellen, dass sich die Praxis der Energiewende deutlich geändert hat. Die Diskussionen um den Abbau von Hemmnissen beim Ausbau der erneuerbaren Energien hat an Bedeutung gewonnen, manches kommt in Bewegung und manches gilt es noch anzupacken. Da lag es nahe, in diesem Jahrbuch den Blick auf die konkreten Herausforderungen zu richten, und die Akteure von ihren Erfahrungen bei der Umsetzung einer naturverträglichen Energiewende berichten zu lassen“, erklärt Dr. Torsten Raynal-Ehrke, Direktor des KNE. „So vielseitig wie die Autorenschaft ist, so spannend ist die Bandbreite der Themen. Wir hoffen, nicht nur einen interessanten und informativen Einblick in die verschiedenen Facetten und Anforderungen der Energiewende zu geben, sondern auch, zur Versachlichung von Debatten beizutragen, und zur Diskussion – auch disziplinübergreifend – über die Herausforderungen anzuregen“, berichtet Anke Ortmann, Redakteurin des Jahrbuchs. „Die Leserschaft erwarten Beiträge zur Regionalplanung, zu Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, zur Konfliktklärung vor Ort, zu Innovationen in der Photovoltaik und zur Bedeutung der Emotionen. Internationale Beiträge zu Schottland, China und Polen stellen ausgewählte Aspekte der dortigen Energiewende heraus“, so Ortmann weiter. Zu Wort kommen unter anderem Dr. Danuta Kneipp (50Hertz Transmission) und Judith Michler (ABO Wind) in ihrem gemeinsamen Artikel zu Klima- und Artenschutz als wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Energiewende. Professorin Gundula Hübner von der Universität Halle-Wittenberg berichtet über die Vielschichtigkeit der Emotionen und Motivationen in der Energiewende. Martin Szaramowicz (Flächenagentur Brandenburg) und Marc Thiele (NaturschutzFonds Brandenburg) geben einen Einblick in die Praxis der Kompensations- und Ersatzmaßnahmen. Dr. Joanna Maćkowiak Pandera (Forum Energii) erläutert bemerkenswert die Perspektiven der polnischen Energiepolitik und die Chancen einer deutsch-polnischen Zusammenarbeit. Darüber hinaus kommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KNE zu Wort und berichten über die Arbeit des KNE. Der Artikel „Letzte Ausfahrt Zukunft“ von Dr. Joanna Maćkowiak Pandera liegt auch im Orignial in Polnisch vor. Hier finden Sie den Artikel "Ostatni zjazd przyszłość". Die K20-Redaktion dankt allen Autorinnen und Autoren sehr herzlich für Ihre Mitarbeit und wünscht den Leserinnen und Lesern eine spannende und anregende Lektüre. Für Nachfragen, Interviews und für Anfragen zur journalistischen Weiterverwertung von Beiträgen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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16.04.2020

Klagen über Klagen?

Berlin, 16. April 2020. Dass der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland derzeit schleppend verläuft, hat unterschiedliche Ursachen. Immer wieder wird der Vorwurf erhoben, fast jede Windenergieanlage und fast jeder Solarpark werde beklagt. Dem gegenüber steht der Vorwurf, sehr viel häufiger würden die Projektentwickler vor Gericht gehen, wegen nicht erteilter Genehmigungen oder Auflagen. Welche belastbaren Aussagen können zu Umfang, Inhalt und Akteuren von Klagen gegen erneuerbare Energien aber tatsächlich verlässlich getroffen werden?

Untersuchungen zum Klageaufkommen

In den vergangenen Jahren wurden überhaupt nur zwei Berichte veröffentlicht, die sich mit Gegenstand und Akteursstruktur von Klagen im Bereich der erneuerbaren Energien beschäftigten. Frau Prof. Dr. Anja Hentschel (Hochschule Darmstadt) hat 2017 ein Gutachten[1] für das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) erarbeitet, in dem qualitativ untersucht wurde, welche Urteile in den Jahren 2000 bis 2016 gegen erneuerbare Energien ergangen sind. Dabei wurden verschiedene Energieträger (Onshore-Windenergie, Solarenergie, Bioenergie und Wasserkraft) berücksichtigt und der Fokus auf Natur- und Artenschutz sowie den Umweltschutz gelegt. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass im Spannungsfeld Naturschutz und Energiewende alle Akteure, sowohl Projektentwickler als auch Natur- und Umweltschutz und auch Bürgerinnen und Bürger als Kläger vor den Gerichten auftreten. Die Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) hat im Jahr 2019 eine Umfrage durchgeführt. Sie hat Projektentwickler befragt, wie viele ihrer Projekte aktuell aus welchen Gründen von welchen Akteuren beklagt wurden.[2] Die Umfrage deutet darauf hin, dass bundesweit etwa gegen ein Fünftel der genehmigten Windenergieanlagen eine Klage eingereicht wurde, in Bayern und Hessen waren es sogar knapp 40 Prozent. Womit sich zu Recht die Frage stellt, ob die Arbeitsfähigkeit der Windenergiebranche durch eine Klagewelle erheblich eingeschränkt wird. Beide Veröffentlichungen liefern interessante Hinweise zum Klagegeschehen, geben jedoch keine belastbare Antwort auf die Frage, ob der Großteil der Klagen von Bürgerinitiativen und Naturschutzverbänden geführt wird oder ob es die Projektentwickler sind, die überwiegend gegen versagte Genehmigungen oder ihnen erteilte Auflagen klagen. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hat – nach unserer Kenntnis als einziger unter den anerkannten Naturschutz- und Umweltverbänden – im Jahr 2019 offengelegt, in wie vielen Fällen er bislang gegen Windenergieprojekte geklagt hatte.[3] Danach seien innerhalb der letzten zehn Jahre 45 Klagen gegen Windenergieprojekte erhoben worden. Davon seien zum Zeitpunkt der Bekanntgabe zwanzig Verfahren bereits abgeschlossen gewesen, wovon der NABU nur drei verloren habe. Bekannt sind außerdem die Zahlen der laufenden Klagen im Bereich der Windenergie aus dem Kreis Paderborn zum Stichtag 31. August 2019. Diese Daten wurden vom Kreis Paderborn auf einer Veranstaltung für die Bürger und Bürgerinnen veröffentlicht[4] und sind die einzige uns bekannte veröffentlichte Kompletterfassung von Klageverfahren eines Verwaltungsgebiets gegen Windenergievorhaben. Es zeigt sich danach eine sehr hohe Anzahl von Klagen seitens der Projektentwickler wegen versagter Genehmigungen oder Betriebsauflagen im Verhältnis zu Klagen von Anwohnenden und Naturschutzverbänden. Es wäre nach unserer Einschätzung jedoch unseriös, die Ergebnisse eines so begrenzten Erhebungsgebiets auf die ganze Bundesrepublik hochzurechnen, da die Windenergie in Deutschland und die damit verbundenen Konfliktlagen nicht gleichmäßig verteilt sind.

Bewertung der Datenlage

Es gibt bisher keine empirisch abgesicherten Belege oder repräsentativen Erhebungen darüber, wie häufig von wem und mit welcher Zielrichtung gegen Windenergievorhaben oder gegen deren versagten Genehmigungen oder gegen die erteilten Auflagen geklagt wird. Eine zentrale gerichtliche Erfassung gibt es nicht. Auch clustern die Gerichte die bei ihnen eingereichten Klagen nicht in einer Weise, die eine Analyse des Klageverhaltens der unterschiedlichen Akteure ermöglichen würde. Derzeit ist es daher nicht möglich, eine Aussage zum Klageumfang und zum Klageverhalten einzelner Akteursgruppen – egal ob Befürworter oder Gegner einer (naturverträglichen) Energiewende – abzugeben. Es kann nur spekuliert werden. Zudem: Klagen von Betreibern und Projektentwicklern gegen die Versagung einer beantragten Genehmigung oder gegen eventuelle Auflagen von erteilten Genehmigungen bremsen den Ausbau der Windenergienutzung nicht. Die oft erfolgreichen Klagen von Naturschutzorganisationen tragen zur Vermeidung zukünftiger Fehler bei und verbessern die Naturverträglichkeit der Energiewende. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg, Klagen zu verringern, wäre es nach unserer Auffassung, die untergesetzliche Maßstabsbildung in Artenschutzfragen deutlich zu verbessern. So würde rechtssicheres Handeln der Behörden gestärkt, Klagegründe könnten entfallen. Um weitere Ansatzpunkte zur Reduzierung von Klagegründen zu identifizieren, wäre zudem ein umfassendes Forschungsprojekt zum gerichtlichen Klagegeschehen eine lohnenswerte Investition.
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17.03.2020

Flächenverfügbarkeit für die Energiewende

Berlin, 17. März 2020. Windenergie braucht Fläche. Wieviel Quadratmeter stehen in Deutschland für den weiteren naturverträglichen Windenergieausbau an Land tatsächlich noch zur Verfügung bzw. könnten die windenergiepolitischen Ziele nicht schon rein flächenmäßig verfehlt werden? Fragen, die in der aktuellen Debatte zur Beschleunigung des Windenergieausbaus an Bedeutung gewinnen.  Für einen erfolgreichen Ausstieg aus der Atom- und Kohleverstromung ist der weitere Ausbau der Windenergie an Land unverzichtbar. Aktuell sind rund 30.000 Windenergieanlagen an Land installiert. Sie lieferten 2019 rund 106 Terrawattstunden an Strom. Damit können etwa 27 Millionen Einfamilienhaushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden.
  • Wie viele Windenergieanlagen brauchen wir zusätzlich, um die 2030- bzw. die 2050-Ziele der Energiewende[i] erreichen zu können?
  • Stehen für diese zumindest theoretisch ausreichend Flächen zur Verfügung?
Hierzu werden immer wieder verschiedenste Spekulationen angestellt. Dabei werden Zahlen genannt, die von rund zehnmal so viel Windstrom wie bisher und letztlich insgesamt rund 300.000 Windrädern bis 2050 ausgehen.[ii] Wie sieht die Faktenlage aus?

1. Wissenschaftliche Untersuchungen

Prognostizierter Strombedarf und benötigte Windenergieanlagen
  • Wie viele Windenergieanlagen werden gebraucht, um die Energiewendeziele bis 2030 bzw. 2050 zu erreichen?
Bevor eine Einordnung vorgenommen werden kann, ist es wichtig in einem ersten Schritt zu schauen, wieviel Energie in den Zieljahren wahrscheinlich benötigt wird. Hierzu liegen uns verschiedene Szenarien vor, die auf Grund von unterschiedlichen Annahmen (Strombedarf, Einsparpotenzial, Strom-Import) zu teils stark voneinander abweichenden Einschätzungen kommen. Grundsätzlich gilt: Der erneuerbare Strom der Zukunft wird neben den Haushalten auch für die Elektromobilität, für das Heizen von Häusern und Büros und für industrielle Prozesse (Sektorenkoppelung) benötigt, und er wird zum überwiegenden Teil mit Windenergie und Photovoltaik erzeugt werden. Laut einigen Studien[iii] würden sich zudem die – bereits heute vor allem beim Windenergie-Ausbau bestehenden – Flächenkonkurrenzen verschärfen und die Konflikte rund um den Windenergieausbau deutlich zunehmen.[iv] Eine Studie im Rahmen der Akademien der Wissenschaften[v] geht davon aus, dass bis 2050 mehr als die doppelte Strommenge von heute erzeugt werden muss, sofern eine Reduktion der energiebedingten Kohlenstoffdioxid-(CO₂-)Emissionen um 85 Prozent erreicht werden soll.[vi] Der aktuelle Stromverbrauch beträgt rund 513 Terrawattstunden, der Anteil der erneuerbaren Energien daran lag bei 37,8 Prozent. Die Windenergie an Land hat einen bei den erneuerbaren Energien einen Anteil von 40,7 Prozent und die Photovoltaik von 20,4 Prozent.[vii] Laut der Studie steigt der Stromverbrauch 2050 auf mehr als 1.000 Terawattstunden an, wofür eine installierte Leistung von bis zu 500 Gigawatt Windstrom und Photovoltaikstrom notwendig wäre – etwa das Fünf- bis Siebenfache dessen, was heute bereits vorhanden ist.[viii] Dabei basiert diese Studie auf Expertendiskussionen, einem Vergleich relevanter Energieszenarien und Modellrechnungen. Bei Berücksichtigung angenommener Leistungssteigerungen der Windenergieanlagen wäre eine gute Verdoppelung der Anlagenzahl auf dann etwa 65.000 erforderlich.[ix] Eine weitere Studie stammt von Agora Energiewende, die das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES damit beauftragt hat, vier sektorübergreifende Zielszenarien für das Jahr 2050 hinsichtlich des resultierenden Strombedarfs zu vergleichen und die Gründe für die Abweichungen herauszuarbeiten.[x] Grundlage der sektorübergreifenden Szenarien ist ein Treibhausgas-Emissionsreduktionsziel von minus 80 Prozent Kohlenstoffdioxid-(CO₂-)Äquivalenten gegenüber 1990 (Mindestziel für das Jahr 2050). Ohne auf die verschiedenen Szenarien im Detail einzugehen, hier eine kurze Darstellung der Ergebnisse: In den Szenarien kommt man zu stark voneinander abweichenden Zahlen für den sektorübergreifenden Stromverbrauch. Das Spektrum reicht für das Jahr 2050 von rund 450 bis zu 800 Terawattstunden Strombedarf, wobei die Autoren der Studie es für plausibel halten, für 2050 letztlich einen Stromverbrauch in der Größenordnung von 620 Terawattstunden zu veranschlagen. Dies würde eine installierte Windkraft- und Photovoltaikleistung von jeweils rund 130 Gigawatt bedeuten. Bei einer Leistung von jeweils 3,5 Megawatt pro Anlage würde dies insgesamt rund 37.000 installierten Windenergieanlagen in Deutschland entsprechen. Beide Studien unterscheiden sich sowohl in Bezug auf den prognostizierten Anstieg des Strombedarfs von heute 513 auf 620 Terrawattstunden bzw. 1.000 Terawattstunden als auch in Bezug auf die benötigte installierte Leistung an Windenergie (130 GW vs. 225 GW) bzw. auf die Anzahl der noch zu errichtenden Anlagen von derzeit rund 30.000 auf 37.000 bzw. 65.000 Anlagen.[xi] Tabelle 1. Übersicht Studien-Vergleich, Prognosen für 2050
  Agora Energiewende  Akademien der Wissenschaften
Prognostizierter Strombedarf 620 Terrawattstunden 1000 Terrawattstunden
Benötigte installierte Windkraftleistung 130 Gigawatt 225 Gigawatt[xii]
Bis 2050 zusätzlich benötige WEA á 3,5 MW zirka 7.000 35.000
Insgesamt benötigte Anzahl von WEA 37.000 65.000
Flächenverfügbarkeit für die Windenergienutzung
  • Stehen für einen prognostizierten zusätzlichen Bedarf an Windenergieanlagen genügend Flächen zur Verfügung?
Die aktuelle Studie[xiii] des Umweltbundesamtes (UBA) kommt zu dem Ergebnis, dass derzeit deutschlandweit eine Fläche von rund 3.100 Quadratkilometern für die Windenergienutzung ausgewiesen ist. Dies entspricht etwa 0,9 Prozent der Fläche Deutschlands. 1.325 Quadratkilometer und damit zirka 42 Prozent der betrachteten Flächen sind – bei Berücksichtigung der Bestandsanlagen zum Stichtag 31.12.2017 – für die Errichtung von Windenergieanlagen frei. Knapp 42 Prozent der gesamten Flächenkulisse entfallen dabei auf Flächen im Entwurfsstadium von Regionalplänen und 17 Prozent auf Flächen der Bauleitplanung. Knapp 1.300 Quadratkilometer und damit 43 Prozent der deutschlandweit ausgewiesenen Fläche ist noch nicht bebaut. Diese ausgewiesenen, aber noch nicht bebauten Flächen verfügen über ein Potenzial von 39,4 Gigawatt für Windenergieanlagen, die noch installiert werden könnten. Dies entspricht einem möglichen Zubau von gut 11.000 Windenergieanlagen mit jeweils etwa 3,5 Megawatt Leistung.[xiv] Tabelle 2. Ausgewiesene und freie Flächen für die Windenergienutzung auf Bundesebene (Regionalplanung + Bauleitplanungsebene)
Fläche (km²) Ausgewiesene Windfläche (km²) Anteil an der Landesfläche (%) Ende 2017 freie Fläche (km²) Anteil freier Windflächen (%)
Deutschland 357.385 3.131 0,9 % 1.325 42,3 %
Die Forscher gehen davon aus, dass das Leistungspotenzial auf den oben genannten, derzeit in Deutschland ausgewiesenen Flächen langfristig maximal bei rund 81 Gigawatt installierter Leistung Windstrom liegt.[xv] Bestandsanlagen wurden hierbei nicht berücksichtig. Dies entspräche einer Anzahl von zirka 23.000 Windenergieanlagen mit einer Leistung von jeweils 3,5 Megawatt. Allerdings unterliegen die Berechnungen erheblichen Unsicherheiten und zwischen den einzelnen Bundesländern bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede: Länder wie Brandenburg, Hessen, das Saarland oder Schleswig-Holstein stellen mit jeweils rund zwei Prozent ihrer Landesfläche den größten Flächenanteil für die Windenergienutzung bereit. In anderen Ländern wie Bayern liegt der Anteil (derzeit) bei weit unter einem Prozent. Insgesamt gesehen ist laut einer weiteren UBA-Studie[xvi] aus dem Jahr 2013 ausreichend Flächenpotenzial für die Windenergie an Land vorhanden, um den weiteren ambitionierten Ausbau zu ermöglichen. In dieser Studie wurde das grundsätzlich verfügbare technisch-ökologische Flächenpotenzial (ohne Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und ohne Berücksichtigung der Erfordernisse des besonderen Artenschutzes und von Radaranlagen!) mit rund 49.400 Quadratkilometer (13,8 Prozent der Bundesfläche) deutlich höher bewertet als in der UBA-Studie von 2019, in der der Umfang der ausgewiesenen Flächenkulisse betrachtet wurde.[xvii] Diese Kulisse von rund 50.000 Quadratkilometern entspricht einem Potenzial von rund 1.190 Gigawatt installierbarer Leistung mit einem Ertrag von insgesamt 2.900 Terrawattstunden pro Jahr, was bedeuten würde, dass auf diesen Flächen rund 340.000 Windenergieanlagen mit jeweils 3,5 Megawatt installierter Leistung errichtet werden könnten.[xviii]

2. Fazit des KNE

Aktuell vorliegende Studienergebnisse kommen zu dem Ergebnis, dass der Strombedarf im Jahr 2050 zwischen etwas mehr als dem Heutigen (rund 620 Terrawattstunden) bis zum Doppelten des Heutigen (1.000 Terawattstunden) beträgt. Dies würde bedeuten, dass zwischen 37.000 und etwa 65.000 Windenergieanlagen benötigt werden. Spekulationen und Angstszenarien von 300.000 Windenergieanlagen bis 2050 kann somit schon jetzt klar entgegengetreten werden. Selbst bei der maximal prognostizierten Anzahl von in Deutschland errichteten Windenergieanlagen würde dies bis 2050 knapp eine Verdoppelung auf dann 65.000 Windenergieanlagen bedeuten. Diese Prognose wird empirisch stark gestützt. Für einen solchen Ausbau sind laut den Berechnungen des Umweltbundesamtes zwar aktuell noch nicht ausreichend Flächen ausgewiesen, es sind aber ausreichend Flächen identifiziert worden, die den Ausbau der Windenergie an Land im geplanten Umfange ermöglichen sollten. Die uns derzeit vorliegenden Studien und Szenarien stellen nach unserer Durchsicht noch keine konsolidierte Grundlage dar, von der aus der zusätzliche Flächenbedarf für den Windenergieausbau konkret abgeleitet werden könnte. Die vereinbarte Abstimmung der Bundes- und Länderziele beim Ausbau der Windenergie an Land muss daher auch die Flächenverfügbarkeit thematisieren und zu tragfähige Vereinbarungen mit den einzelnen Ländern kommen.

Quellenverzeichnis

acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (Hrsg.) (2017): »Sektorkopplung« – Optionen für die nächste Phase der Energiewende, Link zum Dokument  92 S. (letzter Zugriff: 27.02.2020). acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (Hrsg.) (2019): Wege zu einem integrierten Energiesystem – was jetzt geschehen muss, Link zum Dokument  (letzter Zugriff: 16.02.2020). acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (Hrsg.) (2020): Zentrale und dezentrale Elemente im Energiesystem. Der richtige Mix für eine stabile und nachhaltige Versorgung, Link zum Dokument 115 S. (letzter Zugriff: 16.02.2020). Agora Energiewende (2015): Wie hoch ist der Stromverbrauch in der Energiewende? Energiepolitische Zielszenarien 2050 –  Rückwirkungen auf den Ausbaubedarf von Windenergie und Photovoltaik, Link zum Dokument 52 S. (letzter Zugriff: 28.02.2020). Agora Energiewende (2018): Stromnetze für 65 Prozent Erneuerbare bis 2030 – Zwölf Maßnahmen für den synchronen Ausbau von Netzen und Erneuerbaren Energien, Link zum Dokument 64 S. (letzter Zugriff: 24.02.2020). Hans-Martin Henning, Andreas Palzer, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE (2012): 100 % ERNEUERBARE ENERGIEN FÜR STROM UND WÄRME IN DEUTSCHLAND, Link zum Dokument (letzter Zugriff: 16.02.2020). Johanna Romberg (2019): Wie viele Windkraftanlagen benötigt Deutschland? GEO 08/2019 Link zum Dokument. Umweltbundesamt (2013): Potenzial der Windenergie an Land. Studie zur Ermittlung der bundesweiten Flächen- und Leistungspotenzials der Windenergienutzung an Land. 51 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 19.02.2020). Umweltbundesamt (2019): Analyse der kurz- und mittelfristigen Verfügbarkeit von Flächen für die Windenergienutzung an Land. Abschlussbericht. 167 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 12.02.2020). Umweltbundesamt (2019): Position - Auswirkungen von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und Siedlungen. Auswertung im Rahmen der UBA-Studie „Flächenanalyse Windenergie an Land“. 22 S. Link zum Dokument, (letzter Zugriff: 16.02.2020).
[i] Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 65 Prozent auszubauen. Klimaneutralität will Deutschland bis 2050 erreichen. Was dies genau in Bezug auf die Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien bedeutet, ist bislang unklar. Genaue Ausbau-Ziele schwanken noch zwischen 80 bis 100 Prozent. [ii] Vgl.: Stefan Aust in der Welt vom 25.1.2020, siehe: https://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article205334673/Im-Luftreich-der-Traeume.html. [iii] Siehe z.B. acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (Hrsg.) (2020). [iv] Bzgl. der Diskussion um Abstände von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung verweisen wir auf die KNE-Wortmeldung zum Mindestabstand von Windenergieanlagen: Fairness wichtiger als 1.000 Meter Mindestabstand. Wer mehr dazu wissen möchte, kann gerne hier weiterlesen: https://www.naturschutz-energiewende.de/aktuelles/fairness-wichtiger-als-1-000-meter-mindestabstand/. [v] acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (Hrsg.) (2017). [vi] Eine Reduzierung der CO₂-Emissionen bei gleichzeitiger Erhöhung der Strommenge soll durch Reduktion der fossilen Energieträger gelingen. Laut der Studie werden heute rund 85 Prozent der Treibhausgasemissionen durch die Nutzung fossiler Energieträger zur Bereitstellung von Energiedienstleistungen verursacht. Langfristig gibt es vor allem zwei Hebel, um eine Reduktion zu erreichen: Den Einsatz von Energieerzeugungsmethoden, die keine oder deutlich weniger CO₂-Emissionen als die fossilen verursachen sowie die Reduzierung des Energieverbrauches. Zentrale Maßnahmen hierbei sind Energieeinsparung, Steigerung von Umwandlungseffizienzen sowie verstärkte Nutzung der Sektorkopplung. [vii] Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2018. Quellen: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/2_abb_entw-stromverbrauch_2020-02-25.png und https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/stromerzeugung-erneuerbar-konventionell#stromerzeugung-nach-energietragern-. Letztgenannte Zahlen beziehen sich auf die Bruttostromerzeugung in Deutschland. [viii] Eine genauere Aufschlüsselung, wie groß nun der Anteil der Windenergie und wie groß der Anteil der Photovoltaik sein sollte, erfolgt hierbei jedoch nicht explizit. [ix] Laut der Studie sind heute 48 Gigawatt an Wind Onshore installiert. Eine Fünf- bis Siebenfache Menge würde einen Bereich von 240 – 336 MW installierter Leistung für Wind Onshore bis 2050 in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Anlagen (Photovoltaik, Wind Onshore und Wind Offshore) bedeuten. [x] Agora Energiewende (2015): Wie hoch ist der Stromverbrauch in der Energiewende? Energiepolitische Zielszenarien 2050 – Rückwirkungen auf den Ausbaubedarf von Windenergie und Photovoltaik. [xi] Die Bundesregierung geht in einer aktuellen Stellungnahme von einem Bruttostromverbrauch von rund 580 TwH aus, bestimmt u. a. durch eine zunehmende Stromnachfrage der Bereiche Wärme und Verkehr auf der einen Seite (Sektorenkopplung) und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz auf der anderen Seite. Quelle: Deutscher Bundestag, Drucksache 19/17632: Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage vom 24.02.2020; http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/173/1917362.pdf. [xii] Zahl auf Grund der benötigten Anzahl an Windenergieanlagen abgeleitet. [xiii] Umweltbundesamt (2019): Analyse der kurz- und mittelfristigen Verfügbarkeit von Flächen für die Windenergienutzung an Land. Abschlussbericht. [xiv] Trotz Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung ist jedoch nicht in jedem Fall gewährleistet, dass hierauf auch wirklich die Errichtung einer Windenergieanlage möglich ist. Zum Beispiel können detaillierte naturschutzfachliche Untersuchungen oder Höhenbeschränkungen die Flächen und damit auch die Anzahl möglicher zu errichtender Windenergieanlagen verringern. [xv] Zum Vergleich: Eine Studie von Agora Energiewende (2018) beschreibt einen Ausbaupfad von 78 GW installierte Leistung Windenergie an Land für das Jahr 2025 und 86 GW im Jahr 2030 zur Erreichung des 65 Prozent erneuerbare Energien-Ziels. Abweichungen zwischen dieser und der UBA-Studie ergeben sich durch unterschiedliche Annahmen zur Entwicklung des Bruttostromverbrauchs durch Sektorenkopplung und Effizienzmaßnahmen. [xvi] Umweltbundesamt (2013): Potenzial der Windenergie an Land. Studie zur Ermittlung der bundesweiten Flächen- und Leistungspotenzials der Windenergienutzung an Land. [xvii] Das technisch-ökologische Potenzial wird dabei als der Teil des technischen Potenzials verstanden, der unter Berücksichtigung ökologischer Restriktionen (Flächen, die dazu dienen, erhebliche Beeinträchtigungen von Tieren und Pflanzen sowie ihrer Lebensräume sowie schadhafte Einflüsse auf den Menschen (z. B. durch Lärm) zu vermeiden) nutzbar ist. Konkret wurden verschiedene Schutzgebietstypen bei der Berechnung für Flächen für die Windenergie ausgeschlossen sowie teilweise ein Schutzabstand einberechnet. Hierzu gehören z.B. Nationalparke, Naturschutz-, Vogelschutz- Flora-Fauna-Habitat-Gebiete usw. [xviii] Das Umweltbundesamt (2013: 4) stellt in Bezug auf den Rahmen der Studie fest, dass bei der „Potenzialermittlung […] keine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt, sondern nur technische und ökologische Restriktionen berücksichtigt [wurden]. Allerdings konnten Belange, die Einzelfallbetrachtungen bedürfen (vor allem der besondere Artenschutz, aber auch z. B. Radaranlagen) im Rahmen der Studie nicht sinnvoll abgebildet werden. Das technisch-ökologische Potenzial, bei dem u. a. auch der besondere Artenschutz zu berücksichtigen ist, fällt somit erheblich kleiner aus.“ Das davon dann realisierbare Potenzial für die Nutzung der Windenergie fällt dann durch weitere Einflussfaktoren wie zum Beispiel wirtschaftliche Bedingungen im konkreten Einzelfall sowie durch Einwände und Vorbehalte der Flächeneigentümer/Anwohner vor Ort aufgrund fehlender Akzeptanz nochmals deutlich geringer aus.
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04.02.2020

Fairness wichtiger als 1.000 Meter Mindestabstand

Berlin, 4. Februar 2020. Kürzlich wurde die Studie “Monitoring annoyance and stress effects of wind turbines on nearby residents: A comparison of U.S. and European samples” von Hübner et al. (2019) vorgelegt. Das KNE nimmt nachfolgend eine erste Einordnung der Forschungsergebnisse vor. In den aktuellen Debatten über den Stillstand beim Ausbau der Windenergie an Land wird als gewichtiges Argument vorgetragen, dass die Akzeptanz der vor Ort vom Ausbau Betroffenen sehr gering sei, vor allem aufgrund der Lärmemissionen. Ein Mindestabstand von 1.000 Metern zwischen Windenergieanlagen und Wohnsiedlungen müsse umgesetzt werden, um dem abzuhelfen. Die Autorinnen und Autoren einer international vergleichenden Studie (Hübner et al. 2019) haben sich in einem aufwändigen Forschungsprojekt mit den Ursachen von Lärmstress durch Windenergieanlagen auseinandergesetzt. Die Ergebnisse der Studie stärken Zweifel an der Wirksamkeit von Mindestabständen. Um das Stressempfinden der Anwohnenden zu reduzieren, sei es wichtiger, die Anwohnenden stärker in die Planungsprozesse einzubeziehen.

1. Der Inhalt der Studie

Hübner et al. untersuchen in einer vergleichenden Studie, wie in den USA, Deutschland und der Schweiz Menschen Stress durch Windenergieanlagen in ihrer Nähe erleben. Die Autorinnen und Autoren entwickeln dafür einen neuen Ansatz zur Messung von Lärmstress, den Noise Annoyance Stress Scale (NAS-Scale). Dieser bildet nicht nur ab, wie Anwohnerinnen und Anwohner Lärm empfinden und bewerten, der von Windenergieanlagen in ihrer Nachbarschaft ausgeht. Er erfasst darüber hinaus mögliche Stresssymptome (Schlafstörungen; Gereiztheit; negative Stimmung; Konzentrationsschwäche) und Stressreaktionen (u. a. aktive Maßnahmen zur Lärmminderung etwa durch das Schließen von Fenstern; aktive Entspannung; Austausch mit anderen Menschen). Für die Untersuchung werteten die Autorinnen und Autoren die Befragungen mehrerer Studien[1] aus. Insgesamt flossen Rückmeldungen von 2.470 Personen in die Untersuchung ein (1.441 aus den USA, 584 aus Deutschland, 445 aus der Schweiz). Die Befragten lebten zwischen 0,08 und 4,8 Kilometer von der nächsten Windenergieanlage in ihrem Umfeld entfernt (durchschnittlich 1,3 Kilometer in den USA und 1,74 Kilometer in Deutschland und der Schweiz). Die Ergebnisse der Untersuchung belegen ein generell geringes Auftreten von Stresssymptomen durch Geräusche von Windenergieanlagen, sofern die Immissionsschutzrichtlinien eingehalten werden. Weniger als fünf Prozent der Befragten aus den europäischen Ländern (Deutschland und Schweiz) und den USA berichteten, dass sie mindestens einmal pro Monat Symptome wie Schlafstörungen, Gereiztheit, negative Stimmung oder Konzentrationsschwäche erleben, die sie auf den Schall der Windenergieanlagen zurückführen. Ob und wie stark Anwohnende Lärmstress erleben, hängt nach den Ergebnissen der Studie dabei nicht davon ab, wie weit die Anwohnenden von der nächsten Windenergieanlage entfernt wohnen. Auch der faktisch bei den Befragten gemessene Schallpegel hat keine Auswirkungen darauf, ob und wie stark sie Lärmstress erfahren. Die Studie belegt vielmehr einen Zusammenhang zwischen dem erlebten Lärmstress der Anwohnenden und ihren Erfahrungen mit den Planungsprozessen der Windenergieanlagen. Diejenigen, die Planungsprozesse als unfair wahrnahmen, erlebten deutlich häufiger Lärmstress als jene, die die Planungsprozesse als fair bewerteten. Die Autorinnen und Autoren schließen aus diesen Erkenntnissen, dass eine frühe und aktive Einbindung der Anwohnenden in die Planungsprozesse eine Schlüsselstrategie sein könnte, um den erlebten Lärmstress und damit auch Widerstände gegen Windenergieanlagen vor Ort zu reduzieren.

2. Fazit des KNE

Die international vergleichende Studie von Hübner et al. (2019) liefert eine starke Empirie gegen die politische These, ein pauschaler Mindestabstand von Windenergieanlagen zu Wohnsiedlungen sei der zentrale Schlüssel, damit Anwohnende vor Lärmstress von Windenergieanlagen geschützt seien. Nach den Ergebnissen der Studie gibt es starke Belege dafür, dass vielmehr erlebte Fairness entscheidend für die Akzeptanz von Windenergieanlagen vor Ort ist. Die Anwohnenden, die Planungen, den Bau und den Betrieb von Windenergieanlagen als einen fairen (Beteiligungs-) Prozess wahrnehmen, akzeptieren die Windanlagen (und ihre Lärmemissionen) eher, als diejenigen, die sich unfair behandelt fühlen. Damit unterstreicht die Studie Ergebnisse von Untersuchungen aus der Konflikt- und Beteiligungsforschung.[2] Diese Studien belegen, dass die Zustimmung der Menschen vor Ort für den Ausbau der erneuerbaren Energien eng daran geknüpft ist, dass sie die Planungsverfahren als transparent und die Verteilung der Belastungen und Einnahmen als gerecht erleben. Die Erfahrungen aus der Beratungspraxis des Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende bestätigen diesen Zusammenhang ebenfalls: Eine frühzeitige und möglichst umfassende Beteiligung der Anwohnenden, der örtlichen Naturschutzgruppen und der Gemeindevertreterinnen und -vertreter an den Planungen, zu einem Zeitpunkt, der noch viel reelle Mitsprache ermöglicht, ist ein erfolgsversprechender Ansatz, wenn es darum geht, Konflikte beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu vermeiden oder zumindest zu mindern. Negative Lärmerfahrungen im Einzelnen kann man niemandem ausreden. Es sollte aber Maß und Mitte gehalten werden, wenn es um Lösungen für den weiteren Windenergieausbau geht. Lösungen im Einzelfall, unter Mitsprache und Einbeziehungen der Betroffenen sind sicherlich der erfolgversprechendere Weg für die Energiewende als durchaus problematische pauschale Mindestabstände. Ein bundesweiter Mindestabstand von 1.000 Metern zu Wohnbebauungen birgt immerhin das Risiko, dass sich der Nutzungsdruck auf die für die Windenergie verbleibenden siedlungsferneren Flächen drastisch erhöht. Das Angebot an Flächen, auf denen eine Windenergienutzung zukünftig möglich ist, würde laut Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) bei der Anwendung eines Mindestabstandes von 1.000 Metern um 20 bis 50 Prozent reduziert (Umweltbundesamt 2019). Um den für eine erfolgreiche Energiewende erforderlichen weiteren Ausbau der Windenergie zu gewährleisten, müssten Flächen zur Verfügung gestellt werden, die bisher aus (guten) anderen Gründen weitgehend ausgeschlossen wurden (ebd.), zum Beispiel naturschutzfachlich wertvolle Flächen und unsere Wälder. Damit wären erhebliche Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz vorprogrammiert. In den Diskussionen um einen bundesweiten Mindestabstand sollten nach unserer Überzeugung die akzeptanzfördernde Wirkung von frühzeitiger und aktiver Beteiligung der Menschen vor Ort einerseits und die Risiken für Natur- und Artenschutzkonflikte andererseits eine stärkere Würdigung erfahren. Quellenverzeichnis Barth, R., Ewen, C., Schütte, S., Ziekow, J. (2018): Konfliktdialog bei der Zulassung von Vorhaben der Energiewende. In: Holstenkamp, L. und Radtke, J. (Hrsg.) (2018): Handbuch Energiewende und Partizipation. Springer VS, Wiesbaden. S. 583-598. Wachinger, G., Renn, O. (2016): Teil D Praxis Empfehlungen. In: Beninghaus, C., Wachinger, G., Renn, O. (2016): Bürgerbeteiligung. Konzepte und Lösungswege für die Praxis. Wolfgang Metzner Verlag, Frankfurt am Main. S. 329-344. Firestone, J., Hoen, B., Rand, J., Elliot, D., Hübner, G., Pohl, J. (2018): Reconsidering barriers to wind power projects: community engagement, developer transparency and place. Journal of Environmental Policy & Planning 20 (3). S. 370–386. Hübner, G., Löffler, E. (2013): Wirkungen von Windkraftanlagen auf Anwohner in der Schweiz: Einflussfaktoren und Empfehlungen. In: Institut für Psychologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Hübner, G., Pohl, J., Hoen, B., Firestone, J., Rand, J., Elliott, D., Haac, R. (2019): Monitoring annoyance and stress effects of wind turbines on nearby residents: A comparison of U.S. and European samples. In: Environment International 132, 2019, S. 1-9. Pohl, J., Hübner, G., Mohs, A. (2012): Acceptance and stress effects of aircraft obstruction markings of wind turbines. Energy Policy 50, S. 592–600. Pohl, J., Gabriel, J., Hübner, G. (2018): Understanding stress effects of wind turbine noise − the integrated approach. Energy Policy 112, S. 119–128. Reusswig, F., Braun, F., Eichenauer, E., Fahrenkrug, K., Franzke, J., Heger, I., Ludewig, T., Melzer, M., Meyer-Ohlendorf, L., Ott, K., Scheepmaker, T. (2017): Projekabschluss-Bericht. Energiekonflikte – Akzeptanzkriterien und Gerechtigkeitsvorstellungen in der Energiewende. 69 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 27.01.2020). Umweltbundesamt (2019): Analyse der kurz- und mittelfristigen Verfügbarkeit von Flächen für die Windenergienutzung an Land. Abschlussbericht. 167 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 27.01.2020). [1] Firestone et al., 2018; Hübner and Löffler, 2013; Pohl et al., 2012; Pohl et al., 2018. [2] Barth et al. 2018, S. 585 ff.; Wachinger und Renn 2016, S. 329 f.; Reusswig et al. 2017, S. 19 ff.
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28.01.2020

Windenergie versus biologische Vielfalt? Ein Spannungsfeld am Beispiel Fledermäuse in den Blick genommen

Die Umfrageergebnisse wurden in einem Artikel im Journal for Renewable and Sustainable Energy veröffentlicht. Sie finden sie hier: https://aip.scitation.org/doi/pdf/10.1063/1.5118784?class=pdf. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) hat die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema Windenergie veröffentlicht. Erfragt wurden Meinungen und Einschätzungen zur Windenergie in der Energiewende und zu möglichen Grün-Grün-Konflikten zwischen Klimaschutz und Biodiversitätsschutz mit dem Fokus auf Fledermäusen. Rund 500 Expertinnen und Experten, die in Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen (WEA) involviert sind, haben sich beteiligt.

1. Einordnung der Umfrage

Die Umfrage ist hinsichtlich der Verteilung der Teilnehmenden auf die Interessensgruppen zwar nicht repräsentativ, trägt aber die Sichtweisen vieler Akteure zusammen, die mit dem Thema Fledermausschutz und Windenergie befasst sind. Und sie zeigt Tendenzen, Stimmungslagen und Diskussions- und Handlungsbedarfe auf.

2. Zusammenfassung der Umfrageergebnisse

Windenergie, Energiewende und Naturschutz
  • Mehrheitlich wird eine naturverträgliche Energiewende befürwortet und die Windenergie als eine Schlüsseltechnologie einer erfolgreichen Energiewende angesehen.
  • Nur eingeschränkte Zustimmung findet die Aussage, dass die Energiewende zum Naturschutz beiträgt.
    • Nur die Teilnehmenden aus der Windbranche sehen hier sehr wohl einen Beitrag.
Windenergie und Biodiversität
  • Eine überwiegende Mehrheit hält die Stromproduktion aus Windenergie nicht für wichtiger als die Erreichung der Biodiversitätsziele, und sie sieht die globale Erwärmung auch nicht als drängenderes Problem an als die Biodiversitätskrise.
    • Die Vertreter der Windenergie haben zu diesen Aspekten zumindest teilweise eine gegensätzliche Auffassung.
  • Über alle Akteursgruppen hinweg gibt es deutliche Zustimmung, dass es mehr Anstrengungen für die Vereinbarkeit von Windenergieausbau und Biodiversitätszielen geben müsse.
Möglicher Beitrag der Windenergie zum Biodiversitätsschutz
  • Fast alle Teilnehmenden (90 Prozent) halten es für akzeptabel, dass zur Erreichung von Biodiversitätszielen die Betreiber von Windenergieanlagen Ertragsverluste (durch Schutzabschaltungen) hinnehmen müssen.
    • Bei der Windbranche findet dies nur wenig Zustimmung.
  • Eine Mehrheit hält zeitliche Verzögerungen beim Ausbau der Windenergie für hinnehmbar, wenn dadurch Biodiversitätszielen besser Rechnung getragen wird.
    • Dies lehnen die Teilnehmenden der Windenergiebranche überwiegend ab.
  • Folgende konkrete Maßnahmen erhalten die meiste Unterstützung, um den Konflikt zwischen Stromproduktion durch Windenergie und Fledermausschutz zu minimieren : „mehr Forschung“ (68 Prozent), „Energie-Einsparungen“ und „kontextabhängige Abschaltungen“ (jeweils 61 Prozent), „mehr Energie aus Photovoltaik und anderen erneuerbaren Quellen“ (53 Prozent). Eine „stärkere Kommunikation zwischen den Akteursgruppen“ und ein „strengeres Rechtsregime“ unterstützen nur jeweils die Hälfte der Befragten.
Möglicher Beitrag der Gesellschaft zum Biodiversitätsschutz
  • Jeweils über die Hälfte der Antwortenden aller Akteursgruppen sieht auch die Gesellschaft in der Verantwortung – zur Finanzierung von Artenschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien beizutragen – etwa durch Aufwendung von Steuergeldern.

3. Einordnung der Umfrageergebnisse

Sowohl das Klima als auch die Biodiversität sind von globaler Bedeutung. Die Umfrage sensibilisiert für das Spannungsverhältnis beider Ansprüche an verantwortungsbewusstes politisches und gesellschaftliches Handeln. Die Botschaft der Umfrage ist klar: Schutz des Klimas und der Erhalt der biologischen Vielfalt – hier am Beispiel der Fledermäuse – dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern sollen zusammen gedacht und umgesetzt werden. Die Umfrage-Ergebnisse spiegeln die aktuellen Einschätzungen und Themen wider, wie sie auch dem KNE in Gesprächen, Veranstaltungen, Beratungen und Diskussionen zum Fledermausschutz und Windenergie vorgetragen werden. Auch in den derzeitigen Arbeitsprozessen zur Aktualisierung von Windenergieerlassen und Artenschutzleitfäden in den Ländern werden diese – zu bestimmten Aspekten unterschiedlichen – Sichtweisen und Haltungen deutlich. Trotz bestimmter Diskrepanzen und Differenzen wird aber auch deutlich: Alle Akteure sind für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für die Erreichung der Biodiversitätsziele. Um die Energiewende naturverträglich zum Erfolg zu führen, braucht es die Zusammenarbeit aller Akteure und es braucht die politische Unterstützung für die Umsetzung konkreter Vorhaben. Das bedeutet: Dialog und Kommunikation auf allen Ebenen sowie möglichst klare fachliche und rechtliche Rahmensetzungen. Das KNE unterstützt diesen anspruchsvollen Prozess mit seinen Angeboten zur Fachberatung, Konfliktvermeidung und Dialoggestaltung.
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