Solarparks in Überschwemmungsgebieten

Frage

Sind Solarparks in gesetzlich festgelegten Überschwemmungsgebieten zulässig und sind Errichtung und Betrieb mit dem Hochwasserrisikomanagement vereinbar?

Vollständige Antwort

1. Sind Solarparks in gesetzlich festgelegten Überschwemmungsgebieten zulässig?

Solarparks sind nach den Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) in Überschwemmungsgebieten nicht zulässig. Überschwemmungsgebiete sind nach § 76 Absatz 2 WHG Gebiete „zwischen oberirdischen Gewässern und Deichen oder Hochufern und sonstige Gebiete, die bei Hochwasser eines oberirdischen Gewässers überschwemmt oder durchflossen oder die für Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden“. Die Länder setzen HQ100-Flächen (Erläuterung siehe Frage 2) nach §76 Absatz 2 Satz 1 WHG als Überschwemmungsgebiete fest.

Die Ausweisung neuer Baugebiete ist nach § 78 Abs. 1 WHG in Überschwemmungsgebieten nicht zulässig. Dort heißt es:
In festgesetzten Überschwemmungsgebieten ist die Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich in Bauleitplänen oder in sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch untersagt. Satz 1 gilt nicht, wenn die Ausweisung ausschließlich der Verbesserung des Hochwasserschutzes dient, sowie für Bauleitpläne für Häfen und Werften.

Da auch Solarparks im Rahmen der Bauleitplanung umgesetzt werden, ist ihre Errichtung in Überschwemmungsgebieten nicht zulässig. Es gibt nur vereinzelt Anlagen, die unter strengen Voraussetzungen errichtet wurden. Ausnahmen sind nur möglich, wenn alle neun Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 WHG erfüllt werden, dort lautet es:

  • Die zuständige Behörde kann abweichend von Absatz 1 Satz 1 die Ausweisung neuer Baugebiete ausnahmsweise zulassen, wenn
  • keine anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können,
  • das neu auszuweisende Gebiet unmittelbar an ein bestehendes Baugebiet angrenzt,
  • eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit oder erhebliche Sachschäden nicht zu erwarten sind,
  • der Hochwasserabfluss und die Höhe des Wasserstandes nicht nachteilig beeinflusst werden,
  • die Hochwasserrückhaltung nicht beeinträchtigt und der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird,
  • der bestehende Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt wird,
  • keine nachteiligen Auswirkungen auf Oberlieger und Unterlieger zu erwarten sind,
  • die Belange der Hochwasservorsorge beachtet sind und
  • die Bauvorhaben so errichtet werden, dass bei dem Bemessungshochwasser nach § 76 Absatz 2 Satz 1, das der Festsetzung des Überschwemmungsgebietes zugrunde liegt, keine baulichen Schäden zu erwarten sind.

Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 bis 8 sind auch die Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu berücksichtigen.

Auch für privilegierte Anlagen nach § 35 BauGB ohne Bauleitplanung gilt das Verbot der Errichtung oder Erweiterung (§ 78 Absatz 4 WHG). Eine Ausnahme ist nach § 78 Absatz 5 WHG nur im Einzelfall möglich, wenn

  1. das Vorhaben
  2. die Hochwasserrückhaltung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt und der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird,
  3. b) den Wasserstand und den Abfluss bei Hochwasser nicht nachteilig verändert,
  4. c) den bestehenden Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt und
  5. d) hochwasserangepasst ausgeführt wird oder
  6. die nachteiligen Auswirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können.

Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Satzes 1 sind auch die Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu berücksichtigen.

Ob eine hochwasserangepasste Ausführung beim Bau eines Solarparks möglich ist, ist derzeit nicht bekannt. Es ist davon auszugehen, dass Modultische, die übliche Anpflanzung von Hecken und ggf. auch die Einzäunung den Hochwasserabfluss beeinträchtigen und nicht zulässig sind. Untersagt sind nach § 78a Abs. 1 WHG: 1. die Errichtung von Mauern, Wällen oder ähnlichen Anlagen, die den Wasserabfluss behindern können, […] 5. das Erhöhen oder Vertiefen der Erdoberfläche, 6. das Anlegen von Baum- und Strauchpflanzungen, soweit diese den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 und § 75 Absatz 2 entgegenstehen […].

2. Warum brauchen wir Hochwasserschutz und auf welcher Grundlage erfolgt das Hochwasserrisikomanagement?

Die Begradigung von Fließgewässern, der Verlust von Auen, großflächige Entwässerungen, die intensivere Nutzung von Überschwemmungsflächen sowie die zunehmende Flächenversiegelung sind neben häufigeren Starkregenereignissen oder dem Meeresspiegelanstieg Ursachen für extreme Hochwasserereignisse. (BfN 2024) Darüber hinaus steigt auch die Zahl der in den ehemals natürlichen Überschwemmungsgebieten lebenden Menschen und mit ihnen der Umfang an Infrastruktur und Sachwerten. (LfU Bayern 2024) Dies führt beim Eintreten eines Hochwasserereignisses zu immer größeren Schäden. (GDV 2024)

Ziel des Hochwasserrisikomanagements ist es, das Hochwasserrisiko in Deutschland zu minimieren, um „hochwasserbedingte nachteilige Folgen insbesondere auf die menschliche Gesundheit und das menschliche Leben, die Umwelt, das Kulturerbe, wirtschaftliche Tätigkeiten und die Infrastrukturen“ zu verringern (Richtlinie 2007/60/EG). Die Rückhaltung in der Fläche hat Vorrang vor dem Bau von Hochwasserschutzanlagen in Fließrichtung (z. B. Deiche). Für einen wirksamen Hochwasserschutz muss das gesamte Einzugsbiet eines Gewässers betrachtet werden: Die Hochwassergefahr flussabwärts soll nicht auf andere Orte und Regionen verlagert werden, wenn zum Beispiel flussaufwärts oder an Zuflüssen nicht genügend Retentionsraum zur Verfügung steht. (BRPH 2021)

Seit Ende 2015 liegen flächendeckend Hochwasserrisikomanagementpläne für die in Deutschland identifizierten Risikogebiete vor. Im Rahmen der Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken wird das Hochwasserrisikomanagement auch gezielt in internationalen Flusskommissionen abgestimmt. Seit 2021 gilt darüber hinaus bundesweit der länderübergreifende Raumordnungsplan für den Hochwasserschutz (BRPH). Die Festlegungen darin ergänzen und optimieren die Maßnahmen der Länder zum Hochwasserschutz durch einheitliche raumplanerische Vorgehensweisen. Sie sind als Ziele und Grundsätze der Raumordnung für die unteren Planungsebenen bindend und werden durch die Länder und Kommunen konkretisiert, zum Beispiel durch die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten mit den oben erwähnten Bauverboten. (BRPH 2021)

Als Grundlage zur Abstimmung des Hochwasserrisikomanagements werden gemäß § 74 WHG Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten für drei verschiedene Szenarien dargestellt (BfG 2024):

  • Extremhochwasser (HQextrem – voraussichtliches Wiederkehrintervall mindestens 200 Jahre oder bei Extremereignissen),
  • 100-jährliches Hochwasser (HQ100 – voraussichtliches Wiederkehrintervall mindestens 100 Jahre) und
  • häufiges Hochwasserereignis (HQhäufig – Hochwasser mit hoher Wahrscheinlichkeit)

Grundlage für die Modellierung sind statistische Daten vergangener Hochwasserereignisse. Der Scheitelabfluss eines HQ100 beschreibt zum Beispiel die Abflussmenge (in m³/s) bei einem Hochwasserereignis, das im statistischen Mittel einmal in 100 Jahren zu erwarten ist. Aktuelle HQ100-Hochwasser werden aufgrund von Klimaveränderungen in Zukunft tendenziell häufiger auftreten. (NMUEK 2019)

Die Gefahrenkarten zeigen die betroffenen Flächen für die drei Hochwasserszenarien oder zu erwartende Wassertiefen. Hochwasserrisikokarten hingegen zeigen die bei den verschiedenen Szenarien betroffenen Nutzungen. Dies ist für die Abschätzung des Risikos möglicher Schäden von großer Bedeutung, denn in Wohn- und Industriegebieten besteht ein deutlich höheres Schadenspotenzial als bei Grünflächen.

Für alle drei Hochwasserszenarien sind somit Angaben zu betroffenen Einwohnern, zu den Wassertiefen sowie zur Flächennutzung der potenziell überschwemmten Bereiche öffentlich zugänglich. Die Informationen dienen als Grundlage für kommunale Planungen, in denen die Freihaltung von Retentionsflächen erfolgen muss. Auch Katastrophenschutz und persönliche Vorsorgemaßnahmen jedes Einzelnen werden hieraus abgeleitet. (LfU Bayern 2024a)

3. Fazit – Sind Errichtung und Betrieb von Solarparks mit dem Hochwasserrisikomanagement vereinbar?

Den Bau von Solarparks in Überschwemmungsgebieten auszuschließen ist nach derzeitigem Kenntnisstand sinnvoll. Im letzten Jahr gab es Bestrebungen, das Bauverbot aufzuweichen und die Errichtung von Solarparks in Überschwemmungsgebieten zu erleichtern. Der Gesetzentwurf zur wasserrechtlichen Privilegierung vom März 2023 wurde von der Bundesregierung mit folgender Begründung abgelehnt:

„Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) dienen vorrangig der präventiven Vermeidung von potentiellen Hochwasserschäden an Sachwerten und von nachteiligen Folgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Deshalb begründet § 78 Absatz 1 WHG in festgesetzten Überschwemmungsgebieten ein grundsätzliches Verbot der neuen Bauleitplanung im Außenbereich, von dem nur unter den engen Voraussetzungen des Absatzes 2 Ausnahmen zugelassen werden können. Die großen Schäden vergangener Flutkatastrophen haben gezeigt, dass von diesen Ausnahmen grundsätzlich nur sehr restriktiv Gebrauch gemacht werden sollte.    […]   Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung das Ziel des Gesetzentwurfs, die Ansiedlung von Freiflächen Photovoltaikanlagen in festgesetzten Überschwemmungsgebieten zu erleichtern, insgesamt sehr kritisch.“ (Deutscher Bundestag 2023)

Das KNE unterstützt diese Begründung ausdrücklich und weist angesichts der erneuten Hochwasserereignisse des Jahres 2024 im Norden und Osten (Januar 2024), im Saarland (Mai 2024) sowie aktuell in Bayern und Baden-Württemberg (Juni 2024) mit immensen Schäden für Mensch und Natur und großem Leid für die Betroffenen auf die große Bedeutung der Retentionsflächen hin.

Insbesondere durch die Veränderungen der Niederschlagsmengen und -verteilung im Zuge der Erderwärmung ist zukünftig eine Verschärfung der Hochwassersituation zu erwarten. Aktuelle HQ100-Hochwasser werden tendenziell häufiger auftreten, was die wasserwirtschaftliche Planung vor große Herausforderungen stellt. Die Freihaltung der Überschwemmungsgebiete als Maßnahmen für Hochwasservorsorge und Hochwasserschutz ist daher dringend geboten.

 

Quellen

BAFG – Bundesamt für Gewässerkunde (2024): Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten in Deutschland (Status aktuell). Geoportal. Link zur Internetseite (letzter Zugriff: 24.06.2024).

BfN – Bundesamt für Naturschutz (2024): Hochwasserschutz. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 24.06.2024).

BRPH Länderübergreifender Raumordnungsplan für den Hochwasserschutz (Anlage zur Verordnung über die Raumordnung im Bund für einen länderübergreifenden Hochwasserschutz) (2021): Link zum Dokument (letzter Zugriff: 24.06.2024).

Deutscher Bundestag (2023): Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes. Drucksache 20/6202. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 24.06.2024).

GDV – Gesamtverband der Versicherer (2024): Hochwasser in Süddeutschland: Schäden um die zwei Milliarden Euro erwartet. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 24.06.2024).

LfU BY – Bayerisches Landesamt für Umwelt (2024): Überschwemmungsgefährdete Gebiete. Link zum Dokument(letzter Zugriff: 24.06.2024).

LfU BY – Bayerisches Landesamt für Umwelt (2024a): Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 24.06.2024).

NMUEK – Niedersächsisches Ministerium für Umwelt Energie und Klimaschutz (2019): Klimawirkungsstudie Niedersachsen. Faktenblatt HQ 100. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 24.06.2024).

Richtlinie 2007/60/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 24.06.2024).